Die Flucht von Angela Magdici (32) und Hassan Kiko (27) endet nach rund sechs Wochen in einem tristen Hochhaus in Romano di Lombardia bei Bergamo (I) – nur 100 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt.
Seit zwei Wochen lebten die Gefängniswärterin und der verurteilte Vergewaltiger in einer Dreizimmerwohnung im siebten Stock. Um nicht aufzufallen, verliessen sie die Wohnung nur, um Essen zu kaufen. Nicht einmal den Müll brachten sie raus, er stapelte sich in der Wohnung.
Doch es nützt nichts. Die Polizei kommt dem Paar auf die Schliche. In der Nacht auf Freitag schlägt sie zu. 40 Männer der Sondereinheit ROS stehen im Einsatz, dazu mehrere Helikopter.
Um drei Uhr morgens treten sie die Tür zur Wohnung ein. Angela und Hassan liegen im Bett. Er lässt sich widerstandslos verhaften. Sie wehrt sich wie eine Furie.
Vier Männer sind nötig, um die Kickboxerin zu überwältigen. Sie müssen Angela an Händen und Füssen fesseln. «Sie wollte ihren Mann beschützen, sie war wie besessen von Liebe», sagt Carabiniere Roberto Lorini (51) aus Romano di Lombardia zu BLICK.
Schon im Video, das die beiden Anfang Woche veröffentlicht hatten, bezeichnete Angela den Syrer Hassan als «die Liebe meines Lebens». Das Video lieferte der Polizei wichtige Hinweise. Auf die Schliche kam sie den Flüchtigen aber vor allem wegen eines Handys, das sie schliesslich in der Via Duca d’Aosta 37 fanden.
Hassan hatte vor einigen Tagen einen 60-jährigen Tunesier kennengelernt. «Ein lieber Mann, der einem anderen aus seinem Kulturkreis helfen wollte», sagte Polizeikommandant Paolo Storoni an einer Medienkonferenz.
Der Tunesier besorgte für Hassan ein Telefon. Mit der neuen SIM-Karte rief dieser Kollegen in Deutschland und Österreich an.
Doch der Tunesier bekam kalte Füsse und meldete sich bei der Polizei. Die Beamten orteten das Gerät. Da begann sich die Schlinge zuzuziehen.
Doch die Ortung des Handys ist ungenau. Die Carabinieri müssen in die Trickkiste greifen.
Als Feuerwehrmänner verkleidet, gehen sie am Donnerstagabend von Haus zu Haus. Sie behaupten, im Auftrag einer Gasgesellschaft Kontrollen durchzuführen. Es gebe in der Gegend ein Leck. Dann kontrollieren sie das Haus.
Als sie zum grossen Wohnblock und dort in den siebten Stock zur Wohnung von Angela und Hassan kommen, ist es höchste Zeit für den Zugriff. Denn das Paar plant seine Weiterreise. Das Ziel: Naher Osten, vielleicht Syrien.
«Einige Telefonate liessen darauf schliessen, dass sie in Hassans Heimat reisen wollten», sagt Polizeikommandant Storoni.
Das Paar hat allerdings ein Geldproblem. Bei der Verhaftung tragen die beiden weniger als 500 Euro auf sich.
Ein Kollege von Hassan, der in der Schweiz lebt, eröffnete zwar ein Konto unter falschem Namen und zahlte Geld ein. Doch Hassan konnte nicht darauf zugreifen.
Das Fluchtauto, ein schwarzer BMW X1, hatten Angela und Hassan behalten – es zur Tarnung jedoch in einem Nachbardorf parkiert. Die Polizei hat den Wagen beschlagnahmt.
Die beiden sitzen nun im Gefängnis von Bergamo. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat ein Auslieferungsgesuch gestellt. Angela Magdici muss sich als Fluchthelferin vor dem Richter verantworten. Hassan Kiko hat sich laut Gesetz mit der Flucht nicht strafbar gemacht. Er muss aber eine vierjährige Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung absitzen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine frühzeitige Entlassung wegen guter Führung kann er nun jedoch vergessen.