Lieber Fibo
Am Anfang unserer Beziehung stand wie so oft eine Frau – und zwar meine. Der Besuch von Fräulein Lüthy in den frühen Siebzigerjahren in Deinem Büro hat Dich anscheinend durchaus beeindruckt. Die Befragungen zur Siedlungspolitik in den Agglomerationen, welche die spätere Frau Ringier damals im studentischen Nebenjob durchführte, wahrscheinlich weniger. Ihr Besuch endete mit Deiner Konklusion, dass es für sie doch viel gescheiter sei, journalistische Umfragen zu machen. Und so erkundigte sie sich alsbald in Deinem Auftrag auf Zürichs Strassen, ob Taxifahrer denn in einem heissen Sommer eine Krawatte tragen sollten.
Das Ergebnis dieser Erhebung entzieht sich meiner Kenntnis. Aber der Vorgang zeigt eines ganz deutlich. Eine Deiner grossen Stärken ist es zeitlebens gewesen, Talente zu finden und ihnen das journalistische Handwerk beizubringen oder es auf eine höhere Stufe zu führen.
Davon habe auch ich profitiert. Mitte der 70er-Jahre sass ich als Journalistenschüler bei der «Schweizer Illustrierten» vis-à-vis von Fräulein Geiser – später ziemlich berühmt als Beatrice Tschanz. Selbst als Novize im Beruf hast Du mir zugetraut, eine Kolumne über Geld zu schreiben. Die Ausführungen in meinem ersten Beitrag zur Frage, ob man dem Göttikind besser ein Sparbuch oder Goldvreneli schenken soll, hatten nachweislich keinen grossen Einfluss auf das schweizerische Bankgeschäft. Aber für mich war es der professionelle Start in einen Beruf, den ich zeitlebens lieben werde.
Du hattest damals nicht nur Deine Sporen beim BLICK schon längstens abverdient, sondern eine Karriere hingelegt, die seinesgleichen suchte. Beim Projekt des SonntagsBlicks warst du an vorderster Stelle engagiert, und über die Proteste, die Verkaufsboxen vor jeder Kirche in der Schweiz hinzustellen, haben wir uns halb totgelacht.
Die Fusion der «Schweizer Illustrierten» mit der «Sie und Er», einer Zeitschrift, bei der meine Mutter noch bei der Modebeilage aus Paris mitgewirkt und Wolfgang Joop als begnadeter junger Zeichner die neusten Modetrends gezeigt hatte, war ohne Frage ein enormer Erfolg. Von einer Auflage von 309'000 können wir heute bloss noch träumen. Die Worte meines Vater: «Bis jetzt habe ich den ‹Stern› aber viel lieber gelesen», haben dich wahrscheinlich damals zusätzlich zu dieser Parforceleistung motiviert.
Wie viele gute Journalisten hast Du auch einen Abstecher in die Firmenkommunikation gemacht und Ringier als Mitglied der Konzernleitung nach aussen neu präsentiert und profiliert. Aber Journalismus lässt einen wie Dich nie los und für Ringier galt es, die Herausforderung des Fernsehens anzunehmen. Presse TV in Kooperation mit der SRG, Beteiligung bei Sat.1, Zusammenarbeit mit Leo Kirch und Teleclub: Sowohl bei den Ideen wie auch bei der Durchführung warst Du an vorderster Front mit dabei.
Für mich war der mediale Höhepunkt ohne Frage die Zürivision. Mit Roger Schawinski als Übervater produzierten wir fünf Tage lang Lokalfernsehen, um der Welt zu beweisen, dass das möglich ist – auch wenn den Kosten kein einziger Franken als Einnahme gegenüberstand. Dafür war die Zürivision ein Sprungbrett für spätere Superkarrieren im TV. Jörg Kachelmann gab sein Debüt als Wetterfrosch, Röbi Koller interviewte Bundesrätin Elisabeth Kopp im T-Shirt, was damals als absolute Unverschämtheit empfunden wurde, und auch Daniela Lagers Stern ging in diesem ersten Regionalfernsehversuch auf.
Keine Karriere ist ohne Rückschläge. Den Niedergang des Nachrichtenmagazins «Die Woche» konntest Du als letzter Chefredaktor auch nicht verhindern und der Basler BLICK – obwohl journalistisch gut gemacht – musste ohne emotionalen Rückhalt der Leser am Rhein nach einem Jahr wieder aufgeben.
Die letzten Jahre hast Du Dich vor allem journalistisch um das Thema Gesundheit gekümmert. Und bist durch Deine Arbeit zum medizinischen Google im Pressehaus geworden. Es gibt kein Wehwehchen, für dessen Analyse und Heilung Du nicht die beste Adresse in der Schweiz kennst. Physische Einschränkungen haben Dich Dein Leben lang begleitet. Ich habe nie ein einziges Wort der Klage gehört, und Dein Einsatz für unser Unternehmen reicht für drei Berufsleben.
Eine lebende Legende ist laut Google eine Person, der schon zu Lebzeiten eine besonders bemerkenswerte Lebensgeschichte sowie zeitüberdauernde Bedeutung zugesprochen werden. Treffer, kann ich da bloss sagen. Im Buch «Ringier bei den Leuten» zum 150-Jahr-Jubiläum unseres Unternehmens hattest Du als damals 68-Jähriger schon mehr Einträge als die meisten wichtigen Akteure unserer Firmengeschichte. Herzlichste Gratulation, lieber Fibo, zum 80. Geburtstag und tausend Dank für alles, was Du für das Unternehmen und die Familie Dein ganzes Leben lang gemacht hast.
Dein Michael
Hans Jürg Deutsch arbeitete sein Leben lang in verschiedenen Positionen bei Ringier, bis hinauf in die Konzernleitung. Seine Karriere bei Ringier begann er 1960, ein halbes Jahr nach der Gründung des BLICK. 1969 gründete er den SonntagsBlick mit. Später war er Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» und er prägte über viele Jahrzehnte die TV-Strategie des Hauses. Die letzten Jahre war er als Berater tätig und schrieb regelmässig für den SonntagsBlick. Per Ende Mai geht er in den Ruhestand.
Hans Jürg Deutsch arbeitete sein Leben lang in verschiedenen Positionen bei Ringier, bis hinauf in die Konzernleitung. Seine Karriere bei Ringier begann er 1960, ein halbes Jahr nach der Gründung des BLICK. 1969 gründete er den SonntagsBlick mit. Später war er Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» und er prägte über viele Jahrzehnte die TV-Strategie des Hauses. Die letzten Jahre war er als Berater tätig und schrieb regelmässig für den SonntagsBlick. Per Ende Mai geht er in den Ruhestand.
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