Luc Thévenaz, Faseroptik-Experte und Professor an der ETH Lausanne (EPFL), befasst sich mit für sein Forschungsgebiet ungewöhnlichem Fasermaterial. Statt auf den üblicherweise verwendeten Glasfasern liegt sein Augenmerk auf Spinnenfäden. Er und sein Team stiessen dabei auf Unerwartetes, wie die Hochschule am Mittwoch mitteilte. Spinnenseide könnten helfen, chemische Substanzen aufzuspüren.
Spinnenfäden haben ganz ähnliche Eigenschaften wie Glasfasern. Anders als Glas, das chemisch träge ist, besteht Spinnenseide aber aus langen Eiweissketten, die eine Helixstruktur bilden. Die chemischen Bindungen dieser Helix reagieren leicht mit einer ganzen Reihe chemischer Substanzen.
«Die Helix wickelt sich immer dann auf, wenn polare Moleküle wie Essigsäure oder Ammoniak mit ihren Bindungen in Kontakt kommen», liess sich Thévenaz in der Mitteilung zitieren. Das verändere, wie die Fäden Licht leiten, und habe zur Idee geführt, die Spinnenseide für chemische Sensoren zu verwenden.
Eine weitere unerwartete Entdeckung war, dass diese Veränderung in der Struktur des Fadens komplett umkehrbar ist. Ein Sensor auf der Basis von Spinnenseide wäre also mehrfach verwendbar. Die Forschenden untersuchen derzeit, wie man die Fäden durch Zugabe bestimmter Moleküle verändern könnte, so dass sie spezifisch mit den gewünschten Substanzen reagieren.
Thévenaz und seine Mitarbeiter Desmond Chow und Kenny Hey Tow arbeiten mit Spinnenfäden von 5 Mikrometern Durchmesser, die von der australischen Seidenspinne Nephila edulis stammen. Um die Fäden zu untersuchen, befestigen die Wissenschaftler diese so, dass sie straff gespannt sind, und richten einen Laser auf das eine Ende.
Am anderen Ende des Fadens messen sie winzige Veränderungen der Polarisation des Lichts, das austritt. Reagiert der Spinnfaden mit einer Substanz, zum Beispiel einem Gas, schlägt das Messgerät aus.
Da Seide biologisch abbaubar ist, seien solche Sensoren auch für implantierbare Sensoren in der Medizin geeignet, so Thévenaz. Man müsste sie entsprechend nicht wieder aus dem Körper entfernen, da sie sich mit der Zeit auflösen.