Familiendrama von Elgg
Warum tötete Leandro (16) seinen Bruder?

Das Opfer Demian (†22) war Literatur-Student und Musiker. Er wurde von seinem Bruder Leandro (16) getötet. Die Eltern waren zur Tatzeit nicht zu Hause.
Publiziert: 08.06.2013 um 19:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:48 Uhr
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Hier geschah die Bluttat am Freitag: Das Elternhaus der beiden Brüder in Elgg ZH.
Foto: ZVG
Von Leo Ferraro

Am Freitagabend um 17.15 Uhr ging der Alarm bei der Zürcher Kantonspolizei ein: Im Treppenhaus eines Zweifamilienhauses in Elgg liege ein lebloser junger Mann.

Es ist der Schweizer Demian F.* (†22). Die Rettungskräfte können dem Studenten nicht mehr helfen. Er stirbt. Unfassbar: Der Täter ist sein eigener Bruder, der 16-jährige Gymi-Schüler Leandro F.*

Die Polizei verhaftet ihn am gleichen Tag in Zürich: dringender Tatverdacht. Gestern Abend sass er noch in Untersuchungshaft.

Was in dem Treppenhaus geschah, ist noch völlig unklar. Auch zur bereits sichergestellten Tatwaffe und zum Motiv will die Polizei keine Angaben machen. Ein Unfall war es wohl nicht: «Wir gehen von einem Tötungsdelikt aus», heisst es bei der Kapo Zürich.

Laut Polizei waren die Eltern und die Schwester der Brüder zum Tatzeitpunkt nicht im Haus. Offenbar traf die Mutter (43) aber kurz danach ein. Ein Augenzeuge beschreibt dramatische Szenen: «Als ich am Freitag nach Hause kam, sah ich nur, wie die Mutter der beiden vor dem Haus am Boden lag. Wahrscheinlich hatte sie einen Zusammenbruch. Ich sah, wie die Ambulanz kam und die Polizei den Zugang zum Haus absperrte.»

Elgg ist ein Dorf mit 4000 Einwohnern zwischen Winterthur ZH und Wil SG; viele kannten die Familie. Bekannte und Nachbarn sind schockiert. Niemand kann sich die schreckliche Tat erklären.

«Am Donnerstag haben wir uns zum letzten Mal bei der Bandprobe gesehen. Wir sind fassungslos», sagt ein Kollege des Opfers. Er war mit Demian in einer Band. Der spielte Bass, sang manchmal auch. Erst kürzlich gaben die jungen ­Musiker dem Jugendfernsehsender Joiz ein Interview.

Heute wollte die Band eigentlich ein Musikvideo drehen – und gestern an einem lokalen Open-Air-Konzert auftreten. Dazu kam es nicht mehr. Der Auftritt sei abgesagt, heisst es auf der Webseite.

Bekannte beschreiben Demian als «blitzgescheit und schlagfertig». Er studierte deutsche Literatur an der Uni Zürich, mochte Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke und Günter Grass.

Die Familie von Demian und ­Leandro hat im Dorf vielfältige Kontakte. Nachbarn sprechen von einer «völlig normalen, sehr netten Familie». Der Vater (44) spielt im Dorfklub Fussball. Er sei ein guter Typ und guter Fussballer, heisst es bei Vereinskollegen. Die Mutter ist gelernte Goldschmiedin.

Aber warum tötete Leandro seinen Bruder? Niemand kennt bis jetzt die Antwort. «Die beiden hatten ein gutes Verhältnis», erzählen ehemalige Schulkollegen. Sie seien beliebt gewesen, hätten gerne mal ein Bier getrunken oder auch Gras geraucht. Oft habe man sie im örtlichen Jugendtreff Club 81 getroffen.

Der mutmassliche Täter Leand­ro ist offenbar auch ein guter Sportler. In der Sek belegte er bei einem Wettkampf den dritten Platz. Bekannte berichten, er sei auch in anderen Fächern ein guter Schüler mit ausgezeichneten Noten.

Freunde und Verwandte der Brüder versammelten sich gestern im Club 81 und gaben sich gegenseitig Halt.

Leandro muss sich nun vor der Jugendanwaltschaft verantworten. Und die Polizei klärt, wie es zu dem unfassbaren Drama kommen konnte.

*Namen bekannt

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