Fahrende eröffnen neue Rassismus-Debatte
«Wir sollten Zigeunerschnitzel aus dem Wortschatz verbannen»

«Mohrenköpfe» sind nicht die einzigen Kalorienbomben, deren Name veraltet ist. Auch «Zigeunerschnitzel» sollen aus den Kühlregalen und Menüs verschwinden.
Publiziert: 16.06.2020 um 11:54 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2020 um 08:50 Uhr
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Solche Bezeichnungen für Fleischgerichte sollen aus den Kühlregalen und Menüs verschwinden. Hier ein «Zigeunergeschnetzeltes» aus der Grill-Saison 2019.
Foto: zVg
Marsel Szopinski

Die «Mohrenkopf»-Debatte geht nun ans Fleisch: «Zigeunerschnitzel sind für uns Fahrende auch rassistisch», sagt eine BLICK-Leserin. Trotzdem sind viele Gerichte «nach Zigeuner Art» in den Kühlregalen und Restaurantmenüs zu finden – Cervalat, Geschnetzeltes, Schnitzel. Auch bei der Migros.

Rätselhafter aber belasteter Name

Weshalb das Wort «Zigeuner» eine rassistische Bedeutung hat, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher: «Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff durch den nationalsozialistischen Völkermord geprägt, dem mindestens 500’000 Sinti und Roma zum Opfer fielen. Er gilt für Angehörige der Minderheiten als verletzende Fremdbezeichnung», sagt Angela Mattli, Kampagnenleiterin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) – die sich auch für die Rechte von Jenischen, Sinti und Roma einsetzt.

Woher das Wort kommt, ist umstritten. Es gibt mehre mittelalterliche Völker oder Religionsgemeinschaften im mittelalterlichen Asien, die als Namensgeber vermutet werden. Falsch ist, so wissen heute Sprachwissenschaftler, dass das Wort von «Zieh-Gauner» komme, wie immer wieder gesagt wird. Doch allein, dass eine solche Theorie Fuss fassen konnte, zeigt, wie belastet der Ausdruck ist.

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Schweiz führte «Zigeunerregister»

Hierzulande sind Roma, Sinti und Jenische eine seit langem unterdrückte Minderheit. «Bis in die 90er-Jahre führte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ein ‹Zigeunerregister›, worin die Behörden alle in der Schweiz aufgegriffenen Roma, Sinti und Jenische erkennungsdienstlich erfassten», so Mattli.

Roma, Sinti und Jenische in der Schweiz

In der Schweiz leben laut der Gesellschaft für bedrohte Völker aktuell etwa 80'000 bis 100'000 Roma, 35'000 Jenische und 3000 Sinti. Davon verfolgen rund 2000 bis 3000 eine fahrende Lebensweise.

In der Schweiz leben laut der Gesellschaft für bedrohte Völker aktuell etwa 80'000 bis 100'000 Roma, 35'000 Jenische und 3000 Sinti. Davon verfolgen rund 2000 bis 3000 eine fahrende Lebensweise.

Zudem war die Grenze für ausländische «Zigeuner» bis 1972 gesperrt. «Auch während des Zweiten Weltkrieges wurden verfolgte Sinti und Roma in der Schweiz nicht aufgenommen – viele von ihnen starben in Konzentrationslagern.»

«Paprikaschnitzel» statt «Zigeunerschnitzel»

Deshalb ist für Mattli klar: «Wir sollten Zigeunerschnitzel aus dem Wortschatz verbannen.» Es sei ein diffamierender Begriff, der auf die Jenischen, Sinti und Roma abzielt. «Das Wort lenkt zudem davon ab, dass Roma, Sinti und Jenische geschützte Minderheiten sind, die ein Recht auf Lebensraum haben – namentlich auf Halteplätze für ihre Wohnwagen», sagt Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende.

Alternative Bezeichnungen für die Gerichte gibt es: «Paprikaschnitzel. Gewürzschinken. Hier glaube ich an die Kreativität der Lebensmittelhersteller und Restaurantbesitzer», sagt Mattli.

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