Eine Frau geht mit einer Depression in eine psychiatrische Klinik und wird wegen einer wahnhaften Störung medikamentös behandelt. Schliesslich kommt sie sogar in eine geschlossene Station. Später stellt sich heraus: Die behandelnde Psychiaterin, eine Tschechin, hat die Frau mit dem Walliser Dialekt schlichtweg falsch verstanden.
Probleme wie diese tauchen in der Schweiz immer öfters auf. Der Grund: Immer mehr Psychiater kommen aus dem Ausland und sprechen zu wenig gut Deutsch.
Frust und Fehldiagnosen
Zwischen 2003 und 2021 hat sich der Anteil ausländischer Psychiater mehr als verdoppelt – von 23 auf 52 Prozent. Das berichtet die NZZ am Sonntag. Während früher mehr als die Hälfte von ihnen aus Deutschland in die Schweiz kam, nimmt der Anteil aus anderen Ländern wie Rumänien oder Griechenland zu.
Das sorgt für Probleme. In der Schweiz würden immer mehr Psychiater arbeiten, «deren Deutschkenntnisse nicht perfekt sind», sagt Fulvia Rota, Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. Immer wieder gebe es Patienten-Rückmeldungen, insbesondere bei IV-Gutachten, «dass ihr ausländischer Gutachter sie nicht verstanden habe», so Rota weiter. Demnach gebe es bei IV-Gutachten Rückmeldungen «dass ihr ausländischer Gutachter sie nicht verstanden habe».
Auch Thomas Ihde, Präsident der Anlaufstelle Pro Mente Sana, hört immer mehr von solchen Fällen, wie er gegenüber der NZZ am Sonntag sagt. «Klagen über Sprachprobleme in der Psychiatrie kommen vermehrt vor.» Es komme zu Missverständnissen und Sprachbarrieren. Echte Gespräche würden weniger stattfinden, stattdessen würden sich die Psychiater an fixen Gesprächsfaden festhalten. Das sorgt bei den Patienten für Frust – und im schlimmsten Fall sogar für eine Fehldiagnose.
Reicht Niveau B2?
Die ausländischen Ärzte sind aufgrund des Fachkräftemangels gefragt, bringen aber auch andere Arbeitsweisen mit. Deshalb brauche es Massnahmen vonseiten des Bundes, sagt Ihde, wie etwa einen Sprachkurs.
Der Bund hingegen will das nicht. Es gebe keinen Bedarf, Sprachkurse anzubieten, die Mindestvoraussetzungen würden reichen. Um an einer psychiatrischen Klink praktizieren zu dürfen, reicht das Niveau B2. Laut Bund muss der Arzt «mindestens die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen.»
Das reiche nicht für komplexe psychiatrische Gespräche, sagt Ihde. Es brauche Dialektverständnis, zudem müsse man zwischen den Zeilen lesen können. «Mit Niveau B2 ist das nicht möglich.» Immerhin: Für Psychiater, die selbstständig über die Krankenkasse abrechnen wollen, braucht es das höhere Niveau C1. (zis/SDA)
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