Die Distanzfreundin
Jessie Hug (40) und ich waren einmal gute WG-Freundinnen, wussten über die Zmorgengewohnheiten voneinander Bescheid (Hug liebt Eggs Benedict). Und wir trösteten uns gegenseitig, wenn es mit den Männern nicht gut lief. Dann wanderten wir beide nach Indonesien aus. Jessie gab auf einer kleinen Insel Tauchunterricht, und ich schrieb als Journalistin auf Bali Artikel für die Schweiz – vier Reisestunden von ihr entfernt. Das war der Anfang einer Distanz zwischen uns, die über die Jahre wuchs: Hug lebt heute im mexikanischen Baja California und ich schon lange wieder in der Schweiz. Das macht es schwer, Kontakt zu halten – wie der folgende Facebook-Chat zeigt.
Rebecca Wyss: Hey Jess! Scho lang nüt me ghört. Wie geits dr? Läbsch immer no zMexiko?
Jessie Hug: Hey! Ja voll. Bin vor kurzem no in de Schwiiz gsi für Christmas. Aber jetz wieder do in Baja. Wia laufts bi dir?
Rebecca Wyss: I ha grad chli uf facebook umegsurft und ha üsi alte fotine agluegt, die, wo mr zbali gsisi und ha a di dänkt.
Jessie Hug: Haha. Ja, abenteuerlustig si mer gsi!!
Rebecca Wyss: Do, das Foti hani gfunge.
Jessie Hug: Mer gsehnd super jung us. Haha
Rebecca Wyss: Wie früsch gschlüpft. Denn hei mr no groucht und inegläärt. Dzite ändere sich. I ha gseh, dass du bisch Mueter worde. Wie geits dim Söhnli? Wie alt isch er jetz, dr Leo?
Jessie Hug: Jo voll. 15 Mönet ischer scho.
Rebecca Wyss: i würd ne de ou mou gärn gseh, was macht er grad?
Jessie Hug: Er schloft. Aber mer chöntend mol en Videochat mache damit ne gsesch!!!
Rebecca Wyss: Unbedingt!! De luege mr mou, wies mit dr Zitverschiebig geit.
Jessie Hug: Jo voll. Isch immer besser, wenn bi dir Obed isch. Und ich schaffe eh vo dihei.
Rebecca Wyss: Sehr guet, wär eh cool, wenn mr wieder chli meh conntecte. Damit i weiss, was bi dir geit. bi mir het sech nid so vil gänderet. aber sThema Chind isch ou aktuell. Aber nid akut...
Jessie Hug: Wow. Würkli? So toll!!! Ich druck der de Tume!!!
Rebecca Wyss: Bisch eig no vil uf Facebook? I bi gar nüm vil do ungerwägs. Finges längwilig. Zvil Wärbig mittlerwile. Und i poste fasch nüt me.
Jessie Hug: Ich nu so sporadisch. Ich han no paar Fründe us de USA, wo’s oft bruchend. Mit paar schaff is, nu so in Kontakt zblibe. Aber ich poste au viel weniger.
Rebecca Wyss: Isch no cool zum gseh, was die, wo wit wäg wohne, so mache. Dmary würd i so gärn wieder mou gseh, gopf. am liebste würd ise z'Portland bsueche. Hesch öpis ghört?
Jessie Hug: Si isch mi go psueche im November!!! Isch super gsi!!
Rebecca Wyss: De heit dr aber äuä chli es angers programm gha, aus früecher, weniger Sex, Drugs and Rock 'n' Roll, oder?
Jessie Hug: Ich scho. Sie nid. Haha
Rebecca Wyss: Wenn chunsch snöchst Mou id Schwiz?
Rebecca Wyss: Hallo?
Rebecca Wyss: Jessie?
Der Helfer
Ich gehe gern ins Restaurant Pizzeria Seeland vis à vis vom Bieler Bahnhof. Es ist sieben Tage die Woche offen. Das Menu ist gross, der Service nett. Leider verliere ich oft Dinge. Letzten Herbst schrieb mir Blerim Asani (29) via Facebook-Messenger, mein Portemonnaie sei liegengeblieben. Er ist Kellner im Seeland. Seither sind wir befreundet – zum Glück. Denn Blerim Asani ist sehr aktiv und hat ein faszinierendes Leben. Soeben nahm er an einer internationalen Mister-Wahl teil, die von Korruptionsvorwürfen überschattet wurde. Teilnehmer warfen dem Veranstalter vor, den Sieg verkauft zu haben.
Benno Tuchschmid: Salut Blerim, wie gehts? Ich bin Journalist und schreibe gerade über 20 Jahre Facebook. Du hast mir ja vor ein paar Monaten via Facebook-Messenger geschrieben, weil ich mein Portemonnaie im Restaurant Seeland vergessen habe. Ich war soo froh! Jetzt wollte ich dich fragen: Passiert das noch oft, dass Gäste ihre Karte vergessen – und du sie dann via Messenger informierst?
Blerim Asani: Hallo Benno, könnten wir nicht zusammen ein Artikel darüber veröffentlichen: Ich habe an einer Mister-Wahl mit dem Namen Mister Grand International in Spanien teilgenommen – und die eskalierte komplett. Wir könnten das zusammen kombinieren mit Facebook.
Blerim Asani: Ich bin am Arbeiten. Ich melde mich um 14:00 Uhr
Benno Tuchschmid: So machen wirs!
Blerim Asani: Ich melde mich bei jedem, bei dem ich Zugriff habe, meistens bin ich so frech und öffne das Portemonnaie, um den Namen zu finden oder die ID.
Benno Tuchschmid: Und verlieren die Leute oft ihr Portemonnaie?
Blerim Asani: Sehr oft! Man kann sagen, jeden Tag verliert jemand irgendetwas im Restaurant.
Blerim Asani: Ich habe in Spanien bei der Wahl ja alle meine Sachen verloren, ich wäre froh gewesen, wenn jemand wie ich Social Media dazu genutzt hätte, um verlorene Sachen zurückzugeben.
Benno Tuchschmid: Wo wurden dir denn die Sachen in Spanien geklaut?
Blerim Asani: Im Hotel.
Benno Tuchschmid: Mist.
Benno Tuchschmid: Und wie war die Erfahrung für dich am Mr. Grand teilzunehmen?
Blerim Asani: Ich habe bei der Mister Grand Wahl den Titel International Mr. Personality gewonnen. Ich bin dankbar für die Unterstützung, die ich erhalten habe und möchte meine Position nutzen, um anderen Menschen zu helfen.
Blerim Asani: Aber ev. hätte ich besser bei der Wahl zum Mister Suisse Francophone mitmachen sollen.
Benno Tuchschmid: Tut mir leid, dass dir das mit dem Diebstahl passiert ist! Und die Wahl war ja dann auch eher komisch. Klingt etwas korrupt!
Blerim Asani: Es war sehr korrupt leider.
Blerim Asani: Ich musste nichts bezahlen.
Blerim Asani: Die anderen haben viel bezahlt.
Benno Tuchschmid: Machst du wieder mal mit bei einem solchen Wettbewerb?
Blerim Asani: Ja, sicher, es hat Spass gemacht, und ich habe meine Erfahrung gesammelt und weiss, wie ich gewinne das nächste Mal.
Benno Tuchschmid: Sehr gut! Wie wirst du gewinnen?
Benno Tuchschmid: Oder ist das ein Geheimnis?
Blerim Asani: Das ist ein Geheim-Rezept. Verrate ich bestimmt nicht.
Blerim Asani: Aber natürlich kann ich paar Punkte verraten.
Benno Tuchschmid: Nein, nein. Behalte es für dich. Ist besser! Bis bald, Blerim!
Der älteste Freund
Wir waren ziemlich beste Freunde – leider nur ein halbes Jahr. Pauli Pakarinen (41) habe ich 2007 im Auslandsemester in Kopenhagen kennengelernt. Pauli ist Finne, wohl der erste Finne, den ich kennenlernte. Pauli hatte immer eine Zigarette im Mund und ein Bier in der Hand. Er hatte einen eigenen Stil, war ein ruhiger, angenehmer Typ und unfassbar witzig, ohne es sein zu wollen. Ein Jahr später trafen wir uns noch einmal in seiner Heimat Helsinki. In den 16 Jahren gab es in grossen Zeitabständen ein paar Facebook-Unterhaltungen. Der letzte Chat ist vier Jahre her, jetzt schreibe ich ihm erneut.
Alexandra Fitz: Pauli! Ich muss dir etwas Tolles sagen!
Drei Stunden keine Antwort.
Alexandra Fitz: Okay, das löst nicht gerade viel in der aus. Die Sache ist die: Du bist mein ältester Facebook-Freund.
Pauli Pakarinen: Entschuldigung, ich war beschäftigt mit Arbeit.
Pauli Pakarinen: Ich fühle mich speziell!
Pauli Pakarinen: Wie ist das Leben?
Pauli Pakarinen: Wir müssen uns irgendwann irgendwo wiedersehen. Das ist unsere Pflicht als älteste FB-Freunde.
Funkstille von meiner Seite übers ganze Wochenende.
Alexandra Fitz: Mit der Arbeit? Meine letzte Information ist, dass du alles tust, um keinen ernsthaften Job zu haben.
Alexandra Fitz: Die wichtigsten Fragen: 1. Immer noch Helsinki? 2. Was für ein Job? 3. Ist jemand an deiner Seite? (Was für ein Ausdruck ist denn das?;))
Alexandra Fitz: Bei mir immer noch selber Job, selbe Stadt. Ich bin verheiratet und habe zwei Söhne. Sie sind höllisch herzig und höllisch anstrengend.
Alexandra Fitz: Es ist nicht einfach, hier einen Chat zu haben. Sollen wir Briefe schreiben?
Alexandra Fitz: Aber ohne Facebook könnte ich mich nicht bei dir melden!
Pauli Pakarinen: Es wird immer härter, ohne richtigen Job.
Pauli Pakarinen: Ich arbeite an der Uni.
Pauli Pakarinen: Ich habe eine Frau, wir haben aber immer noch keine Rechte.
Pauli Pakarinen: Noch keine Ringe! Nicht Rechte!
Pauli Pakarinen: Das klingt nach einem guten Leben.
Pauli Pakarinen: Wir sollten wirklich Briefe schreiben.
Alexandra Fitz: Nutzt du FB viel?
Alexandra Fitz: Meine ersten Freunde sind alle aus der Kopenhagen-Zeit. Ich glaube, FB wurde dann gerade in Europa bekannt.
Pauli Pakarinen: Ich benutze FB kaum. Manchmal kontaktiert mich jemand damit oder ich tue es.
Alexandra Fitz: Kannst du mir einen Gefallen tun? Kannst du schauen, wer dein ältester FB-Freund ist?
Pauli Pakarinen: Ich weiss nicht wie.
Pauli Pakarinen: Okay, ich habs gefunden.
Pauli Pakarinen: Ich habe meinen Account in Kopenhagen eröffnet. Deshalb habe ich mehrere an dem Tag. Aber die Erste ist Alba, das spanische Au-pair.
Pause
Alexandra Fitz: Entschuldigung, ich musste kurz Windeln wechseln.
Alexandra Fitz: Alba! Alba und ich waren richtig eng in Kopenhagen. Ich wollte sie auch immer einmal besuchen. Sie ist sehr aktiv auf FB, und so sehe ich, was sie so macht.
Alexandra Fitz: Vielleicht sollten wir alten Freunde uns zu dritt treffen?
Pauli Pakarinen: Das wäre ein Spass!