Ein menschlicher Fehler ist der Grund für den F/A-18-Absturz vom letzten Montag. SonntagsBlick hat den Ablauf des Todesflugs mit externen Flugexperten rekonstruiert.
- Um 16.01 Uhr startet ein F/A-18 auf dem Militärflugplatz Meiringen BE zum Übungsflug. Er ist der Leader einer Zweierpatrouille.
- 15 Sekunden später geht ein zweiter F/A-18 in die Luft. Es ist die Maschine von Oberleutnant David G.* († 27) mit der Kennung J-5022. Die Sicht ist schlecht, bis auf 9000 Meter über Meer hängen Wolken. Das ist freilich kein Grund, nicht zu fliegen.
- Der Flugverkehrsleiter im Tower von Meiringen, der Tactical Flight Controller, führt den Leader gegen den Wind ostwärts in Richtung Susten. David G.s Jet hängt sich mit dem Bordradar an seinen Leader. Er fliegt mit genau gleicher Beschleunigung in die genau gleiche Richtung auf die genau gleiche Höhe.
- David G.s Bordradar verliert den Kontakt zum Leader. Über Funk nimmt der Pilot routinemässig Kontakt mit dem Flugverkehrsleiter im Tower Meiringen auf, der ihn nun führen soll.
- Der Controller im Tower übernimmt. Er soll den Jet beim Aufstieg leiten, bis ihn die Einsatzzentrale in Dübendorf ZH ablöst. Aus unbekannten Gründen schickt er David G. mit seinem Jet auf eine zu niedrige Flughöhe. Die Rede ist von «Flight Level 100» – Flughöhe 10'000 Fuss, 3048 Meter.
- David G. peilt die verlangte Höhe an. Gleichzeitig schaltet er seinen Funk auf die Frequenz der Einsatzleitung Dübendorf um.
- Der Flugverkehrsleiter bemerkt seinen Irrtum und will David G. eine neue Flughöhe durchgeben. Doch er erreicht den Piloten nicht mehr.
- Der Tower-Controller versucht, David G. über die Einsatzleitung zu erreichen und die Flughöhe zu korrigieren. Zu spät.
- Um 16.05 Uhr bricht der Funkkontakt mit David G. ab. Sein F/A-18 kracht knapp unterhalb der Krete in eine Felswand des Hinter Tierberg, auf 3400 Meter über Meer. Zeit, mit dem Schleudersitz auszusteigen, hat David G. nicht mehr.
Die am Donnerstag von «10 vor 10» präsentierte Vermutung, ein Lotsenfehler habe zum Crash geführt, verdichtet sich aufgrund der Rekonstruktion des Geschehens. «Diese Darstellung ist richtig», bestätigte ein Insider gestern gegenüber SonntagsBlick.
Die bundeseigene Flugsicherung Skyguide steht nun im Zentrum der Untersuchungen der Militärjustiz. Die Firma selbst äussert sich offiziell nicht.
Weshalb der Lotse eine falsche Höhenangabe funkte, ist noch unklar. War er abgelenkt? Oder hatte er zu wenig Erfahrung mit der Topografie rund um den Gebirgsflugplatz Meiringen – eines der weltweit anspruchsvollsten miliärischen Flugfelder?
Sicher ist: Mit dem Fehler des Flugverkehrsleiters hat Skyguide einmal mehr ein grosses Problem.
Mehrfach waren Fehler von Skyguide oder einzelner Lotsen in der Vergangenheit verantwortlich für Zwischenfälle oder gar grosse Unglücke. So für den Zusammenstoss von zwei Flugzeugen über Überlingen (D) 2002 – wegen eines überlasteten Lotsen (71 Tote). Erst vor drei Monaten stand ein anderer Skyguide-Lotse vor dem Bezirksgericht Bülach ZH, weil er zwei Jets auf Kollisionskurs geschickt hatte.
Im Blindflug in den Wolken weiss keiner, wo genau er ist
Skyguide gehört dem Bund und untersteht dem Umwelt- und Verkehrsdepartement Uvek von Bundesrätin Doris Leuthard.
Im Auftrag der Luftwaffe führt die Firma auch die militärische Flugsicherung durch. Die militärischen Flugverkehrsleiter sind zivile Angestellte der Skyguide. Sie stehen nicht unter der Kommandogewalt der Luftwaffe.
Dennoch müssen sich Militärpiloten vollständig auf die Tactical Flight Controller verlassen können. Im Blindflug, bei schlechtem Wetter etwa, geben sie Richtung und Höhe vor, die der Pilot peinlich genau einhalten muss. «Der Pilot muss sich voll und ganz auf den Controller verlassen können», sagt ein Jetpilot. «Da brauchts schon ein bisschen Gottvertrauen.»
David G. hat das Vertrauen in seiner ersten Saison auf der F/A-18 mit dem Leben bezahlt. Doch auch ein Pilot mit mehr Erfahrung hätte kaum bemerken können, dass die Höhenangabe falsch war: Im Blindflug in den Wolken weiss keiner, wo genau er ist.
Die Technik hilft in solchen Situationen auch nicht: Militärjets haben kein Kollisionswarnsystem, das vor Bodennähe warnt – in den Bergen fliegen sie meist so nahe am Fels, dass ständig alle Warnlampen blinken würden.
* Name bekannt
Vier Militärjets stürzten seit 2013 aus unterschiedlichen Gründen ab: 23. Oktober 2013 Eine F/A-18 fliegt am Lopper OW in eine Felswand. Ursache: Pilotenfehler. Pilot und Passagier sterben. 14. Oktober 2015 Eine F/A-18 stürzt beim Training in Frankreich ab. Ursache: Das linke Triebwerk war aus unbekannten Gründen ausgefallen. Der Pilot überlebt. 9. Juni 2016 An einer Flugshow stürzt eine Tiger der Patrouille Suisse ab. Der Pilot überlebt. Ursache: unbekannt. 29.August 2016 Eine F/A-18 stürzt ab, Pilot David G. stirbt.
Vier Militärjets stürzten seit 2013 aus unterschiedlichen Gründen ab: 23. Oktober 2013 Eine F/A-18 fliegt am Lopper OW in eine Felswand. Ursache: Pilotenfehler. Pilot und Passagier sterben. 14. Oktober 2015 Eine F/A-18 stürzt beim Training in Frankreich ab. Ursache: Das linke Triebwerk war aus unbekannten Gründen ausgefallen. Der Pilot überlebt. 9. Juni 2016 An einer Flugshow stürzt eine Tiger der Patrouille Suisse ab. Der Pilot überlebt. Ursache: unbekannt. 29.August 2016 Eine F/A-18 stürzt ab, Pilot David G. stirbt.