Experte nimmt Rüpel-Chinesen in Schutz
«Schweizer sind auf Reisen auch keine Musterknaben»

Chinesische Touristen machen zum wiederholten Mal negative Schlagzeilen. Dieses Mal im Luzerner Vorort Ebikon. Laut und unhöflich, sagt der Gemeindepräsident. Sie hätten einfach eine andere Kultur, verteidigt sie ein Sachverständiger.
Publiziert: 21.08.2015 um 21:12 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 14:05 Uhr
Asiatische Touristen vor einem beliebten Fotosujet: Die Kappelerbrücke in Luzern
Foto: Keystone
Von Tom Baumann

Vor dem Asia-Restaurant Maxime in Ebikon kommt es jeden Tag zu kuriosen Szenen: Mehrmals pro Tag setzen Reisecars ganze Busladungen von chinesischen Touristen ab, die sich besonders günstig verpflegen wollen. Anwohner berichten von unhaltbaren Zuständen, von Lärm, Müllbergen und Dauerstau. Die Chinesen seien laut, drängelten und würden überall herumspucken (Blick.ch berichtete). Ist das typisch für Chinesen? Oder sind die Schweizer überempfindlich? Ein Experte gibt Auskunft.

Daniel Tschudy ist selbständiger Berater und gibt Kurse über interkulturelle Kompetenz. Er hat mehrere Jahre in China und Japan gearbeitet und ist ein profunder Kenner der chinesischen Kultur.

Daniel Tschudy, wieso regen sich Schweizer so sehr über die Chinesen auf?
Daniel Tschudy:
Die Schweizer sind sich nicht gewohnt, dass man laut und lärmig ist. In China ist dieses Verhalten jedoch absolut normal. China ist eine Kollektivgesellschaft, die zwar sehr stark beziehungs- und menschenorientiert ist, aber auch sehr stolz. Gehört man nicht dazu, wird man oft distanziert und rau behandelt. Das kann bei uns schnell negativ aufgefasst werden.

Das heisst, die Chinesen sind von Natur aus laut?
Nein. Stellen wir uns folgende Situation vor: Man isst in einem guten Restaurant und am Nebentisch unterhält sich ein Chinese lautstark mit seinem Tischnachbarn. Wir fühlen uns sofort gestört, weil man sich bei uns eher ruhig und diskret verhält. In China nicht. Wir können ihn noch so lange bitten, leiser zu sein - er wird unser Begehren nicht verstehen. In seiner Kultur sind Vordrängeln und laut sprechen gang und gäbe. Er hat deshalb eine andere räumliche Vorstellung und «leiser sprechen» ist etwas Fremdes für ihn. Würden wir ihn jedoch bitten, den Mund ganz zu halten, dann würde er das wohl eher tun.

Wie sollen wir chinesischen Touristen denn nun begegnen?
Versuchen wir, Verständnis für andere Kulturen zu haben und ein Interesse am Neuen zu entwickeln. Etwas mehr Toleranz im Umgang mit miteinander würde uns gut tun. Ausserdem sind wir selber ja auch nicht gerade Musterknaben, wenn wir reisen. Nehmen wir das Beispiel Ballermann: Wo Menschen aus dem gleichen Kulturkreis zusammen auftreten, entwickelt sich eine Eigendynamik. Seien wir ehrlich: Wer hat sich im Urlaub noch nie über seine Landsleute geärgert?

Trotzdem hat die chinesische Regierung eine Art Leitfaden entwickelt, wie sich ihre Landsleute auf Auslandreisen verhalten sollen.
Wie jedem Land ist auch China viel daran gelegen, im Ausland positiv wahrgenommen zu werden. Während es fast normal ist, dass der Taxifahrer in Shanghai aus dem Auto spuckt, sollte er dies als Tourist in Luzern besser unterlassen. Solche und andere Dinge sind in diesem Leitfaden nachzulesen. Bereits heute ist ein Lernprozess erkennbar. Vor allem von Seiten der Hoteliers höre ich immer wieder, dass sich die Verhaltensmuster der chinesischen Touristen in den letzten fünf Jahren gewaltig geändert habe. So gesehen ist man sicher auf dem richtigen Weg.

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