Exorzismus hat Hochkonjunktur
Die Rückkehr des Teufels

Bei Exorzisten herrscht Hochbetrieb. Die Bistümer rüsten auf.
Publiziert: 25.05.2014 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:27 Uhr
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«Weiche alles Böse von hier!»: Pfarrer Rudolf Nussbaumer vertreibt den Teufel.
Foto: Stefano Schröter
Von Katia Murmann und Leo Ferraro (Text), Stefano Schröter (Fotos)

Wenn Pfarrer Rudolf Nussbaumer (57) Weihwasser, Kreuz und Rosenkranz hervorholt, hat der Teufel keine Chance. Nussbaumer, ausgebildeter Exorzist aus Steinen SZ, vertreibt jeden Dämon. Er ist ein gefragter Mann. «Es kommen immer öfter Leute mit eigenartigen Geschichten, wo Erwachsene während des Gebets plötzlich fluchen und mit unsittlichen Sprüchen loslegen, Kinder Nacht für Nacht schreien und sich keine normale Erklärung dafür findet», sagt Nussbaumer.

Dann stecken nach Ansicht des Priesters böse Geister dahinter. Oder gar der Teufel. Abhilfe schafft oft schon ein sogenannter kleiner Exorzismus in Form eines Befreiungsgebets. Nussbaumer: «Ich rufe den Hei­ligen Geist an, bete und spritze Weihwasser, dann sage ich: Weiche alles Böse von hier!» Der Kampf gegen Satan hat Hochkonjunktur. Im Bistum Chur verrichten mehrere Priester den «Befreiungsdienst», wie es offi­ziell heisst, zwei sind erst kürzlich neu dazugekommen. Im Bistum Lugano gibt es jeden Tag Anfragen zum Thema.

In Mailand (I) wurden sechs neue Teufelsaustreiber eingesetzt, einer ist auch für das Tessin zuständig. Besonders gefragt ist der kleine Exorzismus. Dafür braucht der Priester keine Erlaubnis des Bischofs – im Gegensatz zum grossen Exorzismus, wo auch ein Arzt beigezogen werden muss. Anfang Mai trafen sich in Rom Exorzisten aus aller Welt, um über Dämonen und den Satan zu diskutieren.

Mit dabei war eine Delegation aus der Schweiz, angeführt von Cesare Truqui (46), Priester und Buchautor aus Samedan GR. Sein jüngstes Werk heisst «Fragen an die Exorzisten», ein Protokoll der Exorzistenausbildung im Vatikan. Truqui ist einer der Teufelsaustreiber im Bistum Chur. Der gebürtige Mexikaner hat jede Woche Anfragen von Menschen, die der Meinung sind, vom Teufel besessen zu sein. «Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem», sagt Truqui. «Etwa fünf Prozent der Menschen, die sich an mich wenden, sind tatsächlich besessen.»

Christoph Casetti (71), der im Bistum Chur für alle Exorzisten zuständig ist, weiss genau, wie sich der Teufel zu erkennen gibt. «Am typischsten ist eine ganz starke Abwehrreaktion auf alles, was heilig ist.» Er habe schon erlebt, dass er auf Skype mit jemandem sprach und plötzlich aus dem Nichts hebräische Schriftzeichen auftauchten. «Oder jemand, der keine grosse Bildung besitzt, verstand plötzlich Latein. Das sind klare Zeichen, die auf eine Besessenheit hindeuten.» Dann hilft kein kleiner Exor­zismus mehr.

Pro Jahr führen Casetti und Truqui je ein bis zwei Mal eine grosse Teufelsaustreibung durch. «Das Leid dieser Menschen ist ungeheuer gross», sagt Casetti. «Deshalb muss man ihnen helfen.» Für viele Experten die Praktiken von Casetti & Co. gefährlicher Hokuspokus. «Exorzismus ist keine Spielerei», sagt der Theologe Georg Otto Schmid (48). Gerade Personen, die Mühe mit der Wahrnehmung der Realität haben, können durch die Austreibung Traumata erleiden!»

Casetti und seine Exorzistenkollegen ziehen bei einem grossen Exorzismus deshalb einen Arzt bei. Diese Fälle seien sehr intensiv. «Manchmal muss man jahrelang beten», sagt er. So auch bei Heike K* (28), die sich vor fünf Jahren im Bistum Solothurn den Teufel austreiben liess. «Sie ist wieder besetzt worden», weiss Casetti. «Wir sind immer noch daran, sie zu befreien.»

*Name der Redaktion bekannt

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