Exklusiv-Interview
Bischof Huonder rechtfertigt seine schwulenfeindlichen Aussagen

Vitus Huonder will «die Nebel lichten». Die Leute hätten seinen Vortrag über die Ehe falsch interpretiert, sagt der Bischof im Interview mit BLICK. Die Todesstrafe für Homosexuelle will er nicht gefordert haben. Er habe «solche Personen» kennengelernt und gespürt, wie sie leiden.
Publiziert: 12.08.2015 um 19:01 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 09:16 Uhr
Von Philippe Pfister (Interview) und Nicola Pitaro (Fotos)

BLICK: Herr Bischof, bei unserem letzten Interview haben Sie mich gefragt, ob ich aus dem Nebel komme. Ich habe den Eindruck, Sie sind zurzeit im Nebel …?
Vitus Huonder:
Ich bin betroffen über die Reaktionen auf meinen Vortrag. Ich wollte zu einer sachlichen Diskussion beitragen und niemanden verletzen. Ich denke, dass sich die Nebel jetzt lichten.

Diese Frage empört Sie vielleicht: Sind Sie ein Hassprediger?
Ich bin ein Bischof, der 100 Prozent zur Lehre der Kirche steht. Manchmal mache auch ich Fehler, dann stehe ich dazu. Grundlegend ist für mich das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, sonst wäre ich nicht Priester geworden.

Mit dem Vortrag in Fulda haben Sie für viele eine Grenze überschritten. Ein bekannter Kapuziner fühlte sich an das Dritte Reich erinnert, als man Homosexuelle im Konzentrationslager tötete. Der Vorwurf ist berechtigt.
Solch ein Vergleich ist eine schreckliche Banalisierung des Dritten Reiches. Eine Beleidigung der Opfer, insbesondere der Millionen von ermordeten Juden. In meinem Fall geht es um einen 50-minütigen Fachvortrag. Ich zitierte aus dem Alten Testament. Dann sprach ich von der pastoralen Liebe gegenüber homosexuellen Menschen. Das hat man ausgeblendet und das Todesstrafe-Zitat wie meine persönliche Gesinnung dargestellt.

Ich fasse zusammen, wie die allermeisten Menschen den Ausschnitt aus Ihrem Vortrag interpretiert haben: Homosexuelle mit dem Tod zu bestrafen, ist ganz okay. Das ist skandalöse Hetze, die an den IS erinnert.
Die Leute haben nicht meinen Vortrag interpretiert, sondern das, was ihnen von den Medien vorgesetzt wurde. Wer den ganzen Abschnitt liest, kann doch nicht sagen, ich hätte die Todesstrafe gefordert.

Stopp. Auf die umstrittenen Zitate folgt Ihr Satz: «Die beiden zitierten Stellen würden alleine genügen, um der Frage der Homosexualität aus Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben.» Sie selbst haben dafür gesorgt, dass man es gar nicht anders interpretieren kann!
Das Wort von der «Wende» war eine nur Insidern verständliche Anspielung auf die kommende Bischofssynode in Rom. Bei der geht es, wie es im Vorbereitungsdokument heisst, um eine sogenannte «pastorale Wende», um einen neuen seelsorglichen Zugang zu bekannten Themen wie auch der Homosexualität. Mir ging es darum, dass wir als Christen verstehen, wie drastisch das Alte Testament an einigen Stellen spricht. Das macht uns bewusst, was das Neue Testament und Jesus Christus uns gebracht haben. Ich gebe zu, das setzt viel Fachwissen und Kenntnis des innerkirchlichen Kontextes voraus. Wenn man dieses Wissen nicht hat, kann man meinen Satz ganz falsch verstehen.

Sie sagen nun, die Lesart mit der Todesstrafe sei nicht Ausdruck ­Ihrer Gesinnung. Warum haben Sie das nicht von Anfang an klipp und klar gesagt?
Ich sah den Vortrag rein akademisch-theologisch. In der öffentlichen Wahrnehmung hat dann die gesamtgesellschaftliche Situation mitgespielt, etwa die Gräueltaten des Islamischen Staates (IS) oder die Verbrechen anderer Gruppen, die sich nicht nur gegen Christen und Andersdenkende richten, sondern auch gegen Homosexuelle. Das habe ich unterschätzt. Ich bin davon ausgegangen, dass es genügt, wenn ich sage, ich stehe auf dem Boden des Katechismus. Für Jesus kam nicht in Frage, dass die Ehebrecherin gesteinigt wurde, und das kommt auch für mich nicht in Frage. Ich will nicht verurteilen. Aber ich sage: Bitte mach es anders.

Der Vortrag war also ein Fehler?
Er war an dieser Stelle nicht durchdacht. Ich würde heute ausführlicher kommentieren und den ganzen Vortrag erst jemandem vorlegen.

Sie haben ihn niemandem zu lesen gegeben?
Nein. Beide zitierten Stellen sind zwar aus der Bibel, sie sind Wort Gottes und müssen ernst genommen werden. Aber sie müssen interpretiert und in unsere Zeit geholt werden.

Das haben Sie nicht getan. Die Schwulenorganisation Pink Cross hat Sie wegen Hetze angezeigt. Werden Sie sich entschuldigen?
Ich kommentiere kein laufendes Verfahren. Unabhängig davon ist es mir wichtig, mich bei allen Menschen zu entschuldigen, die sich verletzt gefühlt haben. Zugleich bestehe ich darauf, dass die katholische Kirche ihren Glauben weiterhin unverkürzt vertreten kann. Heute gibt es auch in der Schweiz Leute, die für sich Toleranz fordern, aber die Meinungs- und Glaubensfreiheit von Andersdenkenden abschaffen wollen. Etwa mit neuen Gesetzen, die vor Diskriminierung schützen sollen, in Wahrheit aber nur Ausdruck einer Meinungsdiktatur sind.

Niemand hat etwas gegen Meinungsfreiheit. Bloss nicht in Botschaften, die eindeutig als hetzerisch rüberkommen. Ähnliches würde man von Papst Franziskus nie hören.
Der Papst ist ein sehr guter Kommunikator, zweifellos. Aber vieles, was er über den Teufel, die Ablehnung der Abtreibung oder der Homo-Ehe sagt, wird von den Medien ignoriert. Das zeigt: Wie jemand öffentlich ankommt oder nicht, das beeinflussen auch die Medien selber, mit ihrer Agenda.

Wollen Sie damit sagen, die Medien seien schuld an der Wirkung Ihres Vortrags?
Ich sage nur, dass die Medien auch ihre Interessen verfolgen.

Warum eigentlich die Fixierung auf das Thema? Homosexualität ist für die allermeisten Katholiken in diesem Land kein Problem.
Mein Vortrag handelte in der Hauptsache von Ehe und Familie. Da spielt die Frage der Sexualität im Allgemeinen auch eine Rolle, auch die Frage der Homosexualität.

Kennen Sie selber Homosexuelle?
Ich habe in meiner seelsorglichen Arbeit solche Personen kennengelernt, ja. Aus verschiedenen Gesprächen habe ich gespürt, wie diese Personen leiden.

Viele wünschten sich einen Bischof, der sich zu sozialen Fragen – zum Beispiel zum Flüchtlingsdrama – äussert und sich engagiert. Diesbezüglich hört man von Ihnen wenig bis nichts.
Das sehe ich anders. Im Dezember habe ich zum Beispiel ein Bischofswort zum Recht auf Wohnung veröffentlicht. So etwas kommt nicht in den Medien, weil sie mehr auf Skandale stehen. Die Kirche sagt und tut vieles hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit, und ich hoffe, dass die Menschen das merken, auch wenn die Medien selten darüber berichten.

Über den Umgang mit Homosexualität, Ehe und Scheidung wird in der Kirche zurzeit heftig debattiert. Sie aber betreiben Abschottung.
Mein Vortrag in Fulda zeigt, dass ich mich an der Debatte beteiligen will. Aber eben: Man riskiert, missverstanden zu werden.

Sie sagen, Sie wollten debattieren und nähmen die Anliegen der Gläubigen ernst. Gleichzeitig interpretieren Sie die katholische Morallehre so rigide wie möglich und wollen keinen Millimeter davon abweichen. Sie isolieren sich doch absichtlich.
Wenn der Katechismus der katholischen Kirche sagt, homosexuelle Menschen seien zur Enthaltsamkeit aufgerufen, dann ist das für mich als Bischof bindend. Es gilt für alle Bischöfe. Da bin ich nicht isoliert. Ich denke, dass wir die Menschen gerade dann ernst nehmen, wenn wir ihnen die Lehre der Kirche nicht vorenthalten, sondern ihnen helfen, sich Schritt für Schritt der christlichen Vollkommenheit anzunähern. Dazu sind auch homosexuell empfindende Menschen berufen.

Der Eklat hat den Graben zwischen Ihnen und den Gläubigen noch einmal vertieft. Sind Sie ein Bischof ohne Volk?
Nein. Hier wird nur etwas sichtbar, was schon lange vor sich geht. Die Gesellschaft bewegt sich immer mehr weg von christlichen Grundpositionen, wie auch bei der Abtreibungsfrage, der Sterbehilfe oder bei der PID. Der Graben geht ­eigentlich mitten durch das Volk, weil auch viele Menschen zum kirchlichen Lehramt stehen.

Ihnen wurde öffentlich indirekt unterstellt, Sie sprächen verächtlich über Papst Franziskus. Stimmt das?
Eine  bösartige Unterstellung. Und es würde mich interessieren, wer das behauptet hat. Vor wenigen Wochen erst hat mich der Papst zu einer längeren Privataudienz unter vier Augen empfangen, die sehr mitbrüderlich verlaufen ist.

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