Über 10'000 Bauern zogen am Freitag durch Bern. Sie setzten ein Zeichen für bessere Bedingungen in der Landwirtschaft. Die Wut ist gross. Viele Bauern sind besorgt, weil die Preise für Milch, Fleisch oder Zuckerrüben im Keller sind. Das nagt am Stolz des Berufsstandes – und treibt manche in Depressionen.
SonntagsBlick sind rund zwei Dutzend aktuelle Fälle von Selbsttötungen bekannt. Genaue Zahlen existieren nicht. Das Bundesamt für Statistik (BFS) erhebt die Berufe seit 1987 nicht mehr in der Todesursachenstatistik.
Pfarrer Lukas Schwyn (62) aus Signau BE kennt die Sorgen und Nöte der Bauern. Er ist Präsident des bäuerlichen Beratungstelefons. Gut 130 Landwirte melden sich pro Jahr bei ihm. «Dramatisch wird es, wenn Geldsorgen mit Beziehungsproblemen zusammenkommen», sagt er.
Früher war es ein Privileg, den Hof vom Vater zu übernehmen. Heute ist die Generationenfolge zur Belastung geworden. «Entweder will keiner der Söhne den Hof übernehmen, oder der Vater redet dem Sohn ständig drein.» Oft hört Schwyn auch von Spannungen zwischen Müttern und Schwiegertöchtern. «Es ist wichtig, dass man die Konflikte nicht zu lange schwelen lässt, sondern möglichst schnell auch Hilfe von aussen annimmt.»
Die Tatsache, dass die meisten der Suizide auf dem Hof erfolgen, habe vor allem einen konkreten Grund: «In einer psychischen Notsituation ist die Verfügbarkeit von Waffen entscheidend. Auf fast jedem Hof gibt es ein Gewehr.»
Zu Konflikten kann auch das veränderte Rollenverständnis der Frau führen. «Heute wollen Frauen auf dem Betrieb mitreden. Sie sind oft selber gut ausgebildet und wollen für ihre Arbeit einen Lohn. Damit können viele Bauern nicht umgehen», sagt Schwyn. Bäuerinnen beklagten auch, dass für ihren Mann Hof und Tiere im Vordergrund stünden und sie zu kurz kämen.
Dem Bauernverband ist die Problematik bekannt. Viele Bauern würden aus Scham keine Hilfe holen. «Sie wollen aus eigener Kraft aus den roten Zahlen herauskommen», sagt Präsident Markus Ritter (48). Oft erfolglos. «Mit zu tiefen Produktpreisen kommen sie auf keinen grünen Zweig.»