Anna G. soll ihr Opfer um Millionen betrogen haben
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Ehemaliges Mitglied klagt:Anna G. soll ihr Opfer um Millionen betrogen haben

Ex-Anhängerin verlor mehrere Millionen Franken – jetzt verklagt sie Glarner Geistheilerin Anna G. (66)
«Sie nahm mir alles, was ich hatte»

In einem Glarner Familienskigebiet steht ein riesiges Chalet, das länger nicht mehr genutzt wurde. Es gehört Geistheilerin Anna G. (66). Aber vielleicht nicht mehr lange. Eine Aussteigerin fordert vor dem Kriminalgericht Luzern ihr Geld zurück. Es geht um Millionen.
Publiziert: 01.09.2021 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2021 um 15:52 Uhr
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Muss sich vor dem Luzerner Kriminalgericht verantworten: Geistheilerin Anna G. (66).
Foto: zVg
Beat Michel

Der Prozess ist in dieser Art bisher einzigartig in der Schweiz. Ein ehemaliges Sektenmitglied klagt gegen ihre ehemalige Heilsbringerin, weil sie ihr sämtliche irdischen Güter überlassen hatte. Es geht um mehrere Millionen Franken. Die Geistheilerin Anna G.* (66) muss sich heute Mittwoch vor dem Kriminalgericht Luzern verantworten.

Die Staatsanwaltschaft eröffnete 2014 ein Strafverfahren, weil sie durch ihre ehemalige Schülerin Sandra Müller* (55) wegen ungetreuer Geschäftsführung und Veruntreuung angeklagt worden ist. Während der Untersuchung erweiterte die Staatsanwaltschaft die Anklage um die Tatbestände Betrug und Urkundenfälschung. Die Geistheilerin streitet sämtliche Vorwürfe ab. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ex-Anhängerin verlor nicht nur Geld, sondern auch ihre Familie

«Sie nahm mir alles, was ich hatte. Ich war in einer emotionalen Abhängigkeit», sagt die Privatklägerin zu Blick. Die zweifache Mutter verlor nicht nur all ihr Geld, auch ihre Familie brach während der Zeit mit Anna G. auseinander.

Vor der Geistheilerin warnt auch die Fachstelle Infosekta. Auf ihrer Webseite schreibt die Organisation: «Schon wieder eine esoterische Anbieterin, die die Menschen angeblich zum universellen Wissen hinführen will und sich dabei masslos an ihren Klienten bereichert.»

Anna G. will sich nicht zu den Anklagepunkten äussern, lässt sie von ihrem Anwalt ausrichten. Seit der Anklageerhebung ist er bereits der fünfte Verteidiger. Blick besuchte wenige Tage vor dem Prozess das Geistheiler-Zentrum.

Anwohner finden Geistheilerin «unheimlich»

Oft sehe man sie nicht mehr in dem kleinen Kurort. «Seit sie das Heizöl nicht mehr bezahlen kann, hat sie ein Zimmer im Tal», weiss eine Nachbarin, die das ganze Jahr hier im Glarnerland arbeitet und lebt. Sie will nicht erkannt werden, denn die Bäuerin findet Anna G. unheimlich. Alle paar Tage sehe man die Frau in helle Tücher gewickelt durch das Dorf schreiten. Ein paar Meter dahinter folge ihre letzte Anhängerin, ebenfalls in strahlendem Weiss gekleidet.

Das vierstöckige Chalet mitten im Ort gehört der Geistheilerin – noch. Bis zum Urteil des Kriminalgerichts hat die Staatsanwaltschaft das Gebäude beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft fordert, dass mit dem Erlös der Gebäude die Schulden von Anna G. gedeckt werden. Eine Verwendung zugunsten der Privatklägerin bleibe vorbehalten, heisst es.

Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafe

Die Vorwürfe in der Anklageschrift wiegen schwer: Immer wieder soll sich Anna G. von Sandra Müller namhafte Geldbeträge erbeten haben, ohne je an eine Rückzahlung gedacht zu haben. So flossen 2011 zwei Millionen Franken in die Stiftung der Geistheilerin, um ein ehemaliges Hotel zu kaufen. Weitere Millionen gingen in mehreren Portionen auf Drängen der Heilerin dafür drauf, um das Zentrum einzurichten. Die Heilerin liess es sich in der Zeit gut gehen, sie kaufte einen Porsche Cayenne, mietete sich eine teure Wohnung und richtete sich eine vegane Kochschule mit Laden ein. Jetzt, da sie keine neue reiche Schülerin hat, ist ihr Geschäft pleite und der Porsche weg.

Die Staatsanwaltschaft fordert eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, davon sechs Monate unbedingt. Anna G. muss sich wegen Betrugs verantworten, weil sie sich 1,5 Millionen Franken von ihrer Ex-Anhängerin geliehen hat – das Geld aber nie zurückzahlen wollte. Veruntreuung, weil sie 98'000 Franken von einem weiteren Darlehen über 600'000 Franken nicht wie versprochen für den Umbau des Zentrums verwendet habe, sondern für private Auslagen. Ausserdem soll sie das Chalet mit Tricks aus der Stiftung in ihr privates Eigentum überführt haben.

* Namen geändert


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