Ex-Airline-CEO André Dosé
«Ich erhielt nach dem Absturz Morddrohungen»

André Dosé hat als Crossair-CEO Flugzeug-Abstürze managen müssen. Er weiss, mit welchen emotionalen Herkulesaufgaben die Lufthansa nun konfrontiert ist. An der Katastrophe zugrunde gehen werde die Firma allerdings nicht, ist er überzeugt.
Publiziert: 27.03.2015 um 17:44 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:16 Uhr
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André Dosé (57) hat das Germanwings-Drama erschüttert.
Foto: Reuters
Von Lea Hartmann

Gestern wurde bekannt, dass der Copilot den Absturz der Germanwings-Maschine absichtlich herbeigeführt hat. Wie haben Sie reagiert?
André Dosé:
Ich war völlig schockiert und sehr betroffen. Leider ist es nicht das erste Mal, dass ein Pilot das Flugzeug abstürzen lässt, aber in Europa gab es dies bisher nicht. Dass das jetzt bei uns passiert ist, ist sehr, sehr schockierend.

Während Ihrer Zeit als CEO der Crossair und später der Swiss waren Sie mit mehreren Flugzeug-Abstürzen konfrontiert. Wie geht man mit solchen Ausnahmesituationen um?
Das Schwierigste ist die riesige Verantwortung, die man als Chef trägt. Als CEO ist man automatisch der, der schuld ist, man ist das Aushängeschild der Firma. Man weiss: Wenn ich jetzt falsch reagiere, kann das das Überleben der Gesellschaft gefährden. Was 2001 nach der Katastrophe in Bassersdorf auf mich zu kam, war Wahnsinn. Es waren Wochen, Monate, in denen die emotionale Belastung riesig ist. Man fragt sich immer: Warum ist das passiert? Haben wir etwas falsch gemacht? Zwar hat man als Chef einer Airline stets im Hinterkopf, dass immer etwas passieren kann. Man befasst sich damit, ist irgendwie auch parat.

Wirklich vorbereitet ist man auf solch eine Tragödie wohl aber nie.
Das stimmt. Ich erlebte absolute Extremsituationen. Als Crossair-CEO habe ich damals die Angehörigen der Opfer über das Unglück informiert. Eine Person ist im Schock auf mich losgegangen. Wie man dann reagieren muss, weiss man nicht. Ich bekam ausserdem Morddrohungen, stand zwei Monate unter Polizeischutz.

Wie hält man nach einem Unglück wie diesem das Vertrauen in die Fluggesellschaft aufrecht?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man einfach sich selbst bleiben muss. Kommunikation und Offenheit sind sehr wichtig in diesem Moment. Das hat der Lufthansa-CEO Carsten Spohr bislang sehr gut gemacht, zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Wie er das alles intern und gegenüber den Angehörigen managt, kann ich natürlich nicht beurteilen.

Wird die Flugzeug-Katastrophe Konsequenzen für Germanwings, ja für Lufthansa haben?
Das glaube ich nicht. Wir reden von einem Einzelfall und ich denke, den Passagieren ist dies auch bewusst. Klar führt ein Unfall immer zu einem Imageschaden und es kann sein, dass die Buchungszahlen vorübergehend leicht zurückgehen werden. Ich glaube aber nicht, dass die Katastrophe für die Lufthansa lebensbedrohlich ist. Bei einer kleinen Airline, die schlecht kommuniziert und keine grossen finanziellen Polster hat, sähe das vermutlich anders aus.

Und wie sieht es auf Seite der Mitarbeiter aus?
Wenn ein solcher Schock durch die Firma geht, ist eine wahnsinnige Solidarität in der Belegschaft zu spüren. Die Leute rücken zusammen und versuchen, die Ausnahmesituation miteinander zu bewältigen.

Mehrere Airlines haben nach dem Germanwings-Absturz eine Zwei-Personen-Regel im Cockpit eingeführt. Was halten Sie davon?
Die Vorschrift stellt sicherlich eine Hürde dar, dass sie eine Lösung des Problems darstellt, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich frage mich, was eine Flight Attendant im Cockpit im Notfall wirklich ausrichten könnte. Wenn ein Pilot ein Flugzeug bewusst zum Absturz bringen will, hat er dazu die Möglichkeit. Es ist eher die Industrie, die sich nun überlegen muss, wie man im Notfall ins Cockpit kommen und gleichzeitig einen Terroranschlag verhindern kann.

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