Europäer bleiben lieber daheim
Die Schweiz zieht nicht mehr

Die Europäer bleiben lieber daheim. Die EU-Zuwanderung in die Schweiz ist auf einem neuen Tiefstand.
Publiziert: 09.12.2017 um 23:27 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:10 Uhr
Eine Frau überquert bei Vallorbe VD die grüne Grenze nach Frankreich.
Foto: KEYSTONE
Tobias Marti

Die Anziehungskraft der Schweiz lässt nach. Nicht erst seit gestern, seit längerer Zeit schon. Das zeigen die neusten Zahlen zur Einwanderung, die SonntagsBlick vorliegen.
Zwischen Januar und November 2017 sind netto rund 30'767 Personen aus Europa in die Schweiz eingewandert. Nimmt man die 439 Personen aus dem Jahr 2016 als Richtwert, die noch bis Ende Jahr dazukommen werden, ist klar: Um über 31'000 Menschen ist die Bevölkerung aus EU- und Efta-Staaten hierzulande dieses Jahr gewachsen. Ein neuer Tiefstand. Im Vergleich zum Jahr 2013 hat sich die Zahl halbiert.

Seit vor zehn Jahren die volle Personenfreizügigkeit eingeführt wurde, war der Wanderungssaldo noch nie so tief wie dieses Jahr! Der Saldo ist die Differenz zwischen der Zu- und der Auswanderung. Der sinkende Trend aus den vergangenen wird damit weiter fortgesetzt.

Wirtschaftlicher Aufschwung im EU-Raum

Arbeitsmarktexperten nennen zwei Gründe für diesen Trend: Zum einen der wirtschaftliche Aufschwung im EU-Raum, zum anderen die schwächere Entwicklung des Schweizer Arbeitsmarkts. Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, formuliert es so: «Der zentrale Faktor für die Reduktion der Zuwanderung aus dem EU-Raum ist die bessere konjunkturelle Lage in Europa». Gerade Fachkräfte würden in ganz Europa zusehends knapp. «Die Wachstumslokomotive Deutschland zieht auch andere Länder mit», sagt Experte Minsch. In der Schweiz würden viele Unternehmen mittlerweile den Fachkräftemangel als eine bedeutende Wachstumsbremse betrachten.

Patrick Emmenegger, Professor für Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen, teilt diese Einschätzungen – «nicht zuletzt in Bezug auf Deutschland», wie er sagt. «Viele europäische Staaten haben sich wirtschaftlich erholt, während der Schweizer Wirtschaftsmotor – noch – etwas stottert», so Emmenegger. Man dürfe aber auch die Signalwirkung der laufenden politischen Debatten in der Schweiz nicht unterschätzen. «Diese Debatten schaffen Unsicherheit und schrecken damit auch Personen ab – gerade wenn sie Alternativen zur Schweiz haben», erklärt der Experte.

Immer weniger Deutsche

Vor genau einem Jahr haben National- und Ständerat das revidierte Ausländergesetz zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative verabschiedet. Das beschlossene Gesetz ist mit dem Freizügigkeitsabkommen kompatibel.

Die Herkunft der Zuwanderer aus der EU hat sich über die Jahre gewandelt. Von 2005 bis 2010 stammte über zwei Drittel von ihnen aus dem Norden der EU. Das Gros bildeten Deutsche. Wegen des Aufschwungs in Deutschland kamen in den Folgejahren immer weniger Deutsche. Zwischen 2011 bis 2016 stammte bereits die Hälfte der Einwanderer aus dem Süden und Osten der EU.

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