Europa Forum Luzern
Alain Berset: «Wir sind EU-skeptisch, weil wir so europäisch sind»

Bundespräsident Alain Berset hat die Schweizer am Montagabend am Europa Forum in Luzern zwar keine Anti-Europäer genannt, aber EU-Skeptiker - gerade weil sie «so europäisch» seien. Und er bekräftigte: Die Schweiz brauche stabile Beziehungen zur EU. Und umgekehrt.
Publiziert: 30.04.2018 um 19:18 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 04:00 Uhr
«Es braucht Flexibilität auf beiden Seiten», sagte Bundespräsident Alain Berset am Europa Forum in Luzern, das zum Thema «Schweiz-EU am Scheideweg?» stattfand.
Foto: KEYSTONE/URS FLUEELER

Das Verhältnis der Schweiz zu Europa sei noch nie frei von Spannungen gewesen, eröffnete Bundespräsident Alain Berset seine Rede im KKL. Aber: «Wir leben gut, weil wir immer wieder eine Balance suchen zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und politischer Skepsis gegenüber Europa.»

Die Schweiz liege mitten in Europa und Europa liege mitten in der Schweiz, sagte Berset. So dürfe es auch nicht überraschen, dass sich sogar Europas Gral in der Schweiz befinde. Nämlich die Entwürfe für den berühmten «Schuman-Plan», für die Vorgängerorganisation der heutigen EU. Auch Winston Churchill hielt seine legendäre Rede «Let Europa Arise» in der Schweiz.

Bersets Fazit: Beide Seiten, die Schweiz und Europa, seien an guten und geregelten Beziehungen interessiert, und es gehe nun darum, diese Beziehungen auf eine neue Ebene zu heben. Aber eben, sagte er, die Schweizer Identität sei stark institutionell definiert, gerade wegen der kulturellen Vielfalt.

Dies erkläre einen guten Teil der Skepsis, mit der die Schweiz seit jeher den Prozess der Europäischen Integration begleite. Berset ist überzeugt: «Wir sind EU-skeptisch, weil wir so europäisch sind. Aber wir sind ganz bestimmt keine Anti-Europäer.» Aus dieser anspruchsvollen Konstellation gebe es nur einen Ausweg: mit dem bewährten Pragmatismus das nationale Interesse definieren.

Der Bundesrat wolle den bilateralen Weg weiterentwickeln, die Verträge bildeten eine «gute Balance zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen». Immerhin gehöre die Schweiz zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern der EU.

Wer der Schweiz aber europapolitische «Rosinenpickerei» vorwerfe, verkenne, dass von den intensiven Handelsbeziehungen beide Seiten profitierten.

Alain Berset verschwieg aber nicht, dass die Beziehung zur EU «unglaublich viel politische Energie» absorbiere. Könnte das Thema für einige Jahre ad acta gelegt werden, würde das «beträchtliche politische Kapazitäten» freisetzen, so Berset.

Es brauche pragmatische Strategien in dieser unruhigen Zeit. Er zeigte sich überzeugt: «Die EU und die Schweiz werden - früher oder später - eine gute Lösung finden.» Unterschiede beim institutionellen Tempo und beim politischen Temperament, die gebe es aber.

Und so kam er nochmals auf Jean Monnet zu sprechen, der im Frühling 1950 den Plan einer Montan-Union vorlegte, und sagte dazu: «Chapeau!» Innert zwei Wochen segneten sämtliche politische Instanzen diesen historischen Plan ab. In der Schweiz blieben bescheidenere Projekte schon in der Ämterkonsultation stecken. «Vielleicht ist man in Brüssel ja insgeheim froh darüber, dass die Schweiz kein EU-Mitglied ist», sagte er.

Auf die Schlussfrage des SRF-EU-Korrespondenten Sebastian Ramspeck, welches Stück er als passionierter Jazzpianist anstelle seiner Rede hier gespielt hätte, sagte Berset: «Sicher keinen Blues. Vielleicht ein Boogie-Woogie - aber nicht zu schnell.» Die 1000 Personen im Publikum schmunzelten. Und applaudierten.

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