Unsere Berge haben Fieber. Der Permafrost taut langsam auf. Resultat: Immer öfter kommt es zu Bergstürzen. Während sich das Eis zurückzieht, dringt der Mensch immer weiter in gefährdete Lagen vor.
Zum Auftakt der grossen Serie über Wetterextreme hat BLICK darum bei den Bergsturz-Experten der ETH Zürich nachgefragt: Welches sind die gefährlichsten Schweizer Berge? Und wie findet man heraus, wo die Hotspots sind?
Jan Beutel (44) ist quasi Daniel Düsentrieb in Kletterschuhen. Der ETH-Mann entwickelt Geräte, die rechtzeitig Alarm schlagen und so Menschenleben retten sollen. Der Wissenschaftler und Bergführer gewährt einen exklusiven Einblick in seine Karte der Schweizer Hochrisiko-Regionen
Unsere Berge kommen einfach nicht zur Ruhe. Es taut, bröckelt – und stürzt schliesslich ins Tal. Auch an diesem Wochenende kam es wieder zu Bergstürzen. Immer wieder werden Mensch und Tier dadurch bedroht. Denn: Während der Permafrost langsam auftaut, dringt der Mensch in immer exponiertere Lagen vor. Das kann schnell tödlich enden. Erst im August kamen acht Berggänger ums Leben, als Millionen Kubikmeter Gestein bei Bondo GR in die Tiefe donnerten.
Der Job von Dr. Jan Beutel (44) vom Institut für Technische Informatik und Kommunikationsnetze an der ETH Zürich ist es, dafür zu sorgen, dass niemand zu Schaden kommt. Mit seinem Team entwickelt der Forscher Sensoren zur Überwachung von Bergen und Gletschern. Und warnt die Anwohner, bevor der Berg rutscht. Beim Abbruch des Triftgletschers in Saas-Grund VS diesen Monat konnten solche Maschinen das Schlimmste verhindern. Die Technik machte es möglich, den Abbruch des Gletschers auf wenige Stunden genau einzugrenzen.
Verschiedene Faktoren spielen in der Bewertung eine Rolle
BLICK hat dem Experten eine Frage gestellt, die erst mal einfach klingt – und doch nicht einfach zu beantworten ist: Welches sind die gefährlichsten Berge der Schweiz?
«Es gibt verschiedene Kriterien zur Einschätzung, wie gefährlich ein Berg ist», so der Wissenschaftler und Bergführer. «Wichtig ist natürlich, wie nahe Siedlungen am Gefahrengebiet sind.» Hier kommen auch schnell politische Fragen ins Spiel. Denn: Wird eine Liegenschaft oder ein Stück Land als gefährdet markiert, sinkt der Wert frappant (siehe Box). Auch Tourismusgebiete wollen natürlich nicht als Gefahrenzone gelten.
Die Kantone sind verpflichtet festzustellen, welche Gebiete durch Naturgefahren bedroht sind. Das Resultat ist eine Gefahrenkarte, die vor allem für Land- und Hausbesitzer relevant ist.
Generelles Bauverbot
Denn: Je nach Gefahrenlage müssen beim Hausbau bestimmte Auflagen erfüllt werden – oder es wird sogar ein generelles Bauverbot verhängt.
Umzonung
Muss man ein Gebiet im Nachhinein umzonen, kanns für Hausbesitzer teuer werden: Wie ein Bewohner von Saas-Grund VS gegenüber BLICK vorrechnete, verlor seine Liegenschaft nach einer Umzonung in die rote Zone die Hälfte des Wertes – das Land war sogar 80 Prozent weniger wert.
Die Kantone sind verpflichtet festzustellen, welche Gebiete durch Naturgefahren bedroht sind. Das Resultat ist eine Gefahrenkarte, die vor allem für Land- und Hausbesitzer relevant ist.
Generelles Bauverbot
Denn: Je nach Gefahrenlage müssen beim Hausbau bestimmte Auflagen erfüllt werden – oder es wird sogar ein generelles Bauverbot verhängt.
Umzonung
Muss man ein Gebiet im Nachhinein umzonen, kanns für Hausbesitzer teuer werden: Wie ein Bewohner von Saas-Grund VS gegenüber BLICK vorrechnete, verlor seine Liegenschaft nach einer Umzonung in die rote Zone die Hälfte des Wertes – das Land war sogar 80 Prozent weniger wert.
Der ETH-Mann erklärt: «Ein anderer wichtiger Indikator im Hochgebirge ist die Temperatur. Wo der Permafrost taut, wird der Boden oft instabil. Schmelzwasser dringt in den Fels ein, befördert Wärme in die Tiefe.» Auch die Bewegung des Untergrunds muss aufwendig gemessen werden.
«Anhand der Bewegungen im Untergrund kann man abschätzen, wie instabil ein Berg oder Gletscher ist. Bewegt sich der Untergrund schneller oder nimmt die Fliessgeschwindigkeit rasch zu, steigt auch die Gefahr», erklärt Beutel.
Es gibt prekäre Hotspots
Aber auch historische Daten können bei der Einschätzung der Lage helfen: «Es gibt in der Schweiz Hotspots, wo es seit Jahrzehnten Probleme gibt. Hier wird dementsprechend engmaschiger überwacht.»
Auch wenn die Berge immer öfter bröckeln – Panik ist für Experte Beutel fehl am Platz. Aber: «Wir müssen als Gesellschaft die Augen offen halten. Und Eigenverantwortung übernehmen!»