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Esslieferdienste
«Der Markt wird 2020 auf 1,4 Milliarden Franken wachsen»

Der Chef von Eat.ch, Dominic Millioud, über Fastfood, Salate und das Verschwinden der Küche.
Publiziert: 28.12.2019 um 23:20 Uhr
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Dominic Millioud: «Unsere Kundschaft sind Herr und Frau Durchschnitts-Schweizer.»
Foto: Philippe Rossier
Interview: Reza Rafi

Ein Bürogebäude im Zürcher Kreis vier, oberstes Stockwerk: Kissen, Zimmerpflanzen, Sitzsäcke und Früchteschalen bilden ein buntes Durcheinander, eine Mischung aus Chill-out-Zone und Studentenbude, ganz wie bei den Techgiganten des kalifornischen Silicon Valley. Programmierer, Entwickler und Buchhalter stehen an ihren Pulten.

Wir sind am Hauptsitz von Eat.ch, einer Firma mit interna­tionaler Belegschaft. Vor zwölf Jahren wurde sie von HSG-Zöglingen gegründet, die ihr Studium an der St. Galler Elite-Uni mit Pizza und Co. überstanden. Heute beherrscht Eat.ch den Schweizer Markt für Essensbestellungen, neudeutsch: Food delivery.


Geschäftsleiter Dominic Mil­lioud sieht man seine 41 Jahre nicht an, er könnte als BWL-Student durchgehen. Oder als Inhaber eines Grafikateliers, als Rennvelo-Mech oder Google-Informatiker. Zum Hipster fehlt nur der Bart.

SonntagsBlick: Sie sind mit Eat.ch im zwölften Geschäftsjahr auf dem Markt. Was hat sich seither geändert?
Dominic Millioud: Unsere ersten Restaurants waren allesamt Pizza- und Kebab-Lokale. Mit der Zeit kamen immer mehr Küchen dazu. Das Angebot wurde differenzierter – chinesische Restaurants, vietnamesische, Burritos-Lokale, Burgerläden und so weiter. Den Hamburger-Boom der letzten Jahre haben wir auch bei uns ganz klar gesehen.

Gibt es neben Fast Food andere Entwicklungen?
In den letzten Jahren sind neue Konzepte dazugekommen, vor allem die gesunde Küche floriert – Salatbars, Wraps, Poke Bowls (hawaiianischer Fischsalat; Red.) etc. Die Schweiz ist kulinarisch ein vielfältiges Land. Mehr als die Hälfte der Bestellungen sind Non-Pizza.

Bestellt der Schweizer primär von zu Hause oder vom Büro aus?
Der grösste Teil der Bestellungen erfolgt am Abend und am Wochenende. Aber auch das Mittagsgeschäft zieht langsam an.

Woran liegt diese Entwicklung: Sind die Schweizer kochfauler geworden? Haben sie immer weniger Zeit? Oder gehört Home delivery zum Lifestyle?
Das ist mehrschichtig. Einerseits ermöglicht die Digitalisierung ­einen schnelleren Zugriff auf ein grösseres Angebot. Ich kann mir für alle Gegebenheiten einen Znacht bestellen. Andererseits geht der Trend hin zu Con­venience.

Womit vorverarbeitete Speisen gemeint sind.
Dazu gehört auch Home delivery.

Erkennen Sie im Bestellverhalten regionale Eigenheiten?
Die regionalen Unterschiede sind relativ stark. Zum Beispiel sind Sushi, afrikanische und arabische Küche in der Romandie besser vertreten.

Wer bestellt Essen?
Unsere Kundschaft sind wirklich Herr und Frau Durchschnittsschweizer, das geht quer durch die Gesellschaft, quer durch alle Schichten. Vom Studenten über Young professionals bis hin zur Familie mit Kindern.

Sind alle Altersklassen dabei?
Im Durchschnitt ist unser Kunde 41 Jahre alt. Bis 55 sind alle Generationen vertreten, danach nimmt es stark ab. Millennials (in den 80er- und 90er-Jahren Geborene; Red.) bestellen dreimal häufiger Essen nach Hause als ihre Eltern.

Was dominiert: Online- oder telefonische Bestellungen?
Unser grösster Wettbewerber ist das Telefon. Erst ein Drittel der Bestellungen wird online getätigt. Der Onlineanteil wächst, zwei Drittel sind nach wie vor telefonische Bestellungen. Online werden Bestellungen grösstenteils vom Handy aus gemacht. Desktop ist die absolute Minderheit.

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Welche Auswirkung hat Home delivery auf die Gastronomie?

Wir sind überzeugt: Das ist ein ­riesiges Potenzial. Bislang liefern zehn Prozent der Schweizer Betriebe aus. Zum Vergleich: In Europa sind es 25 Prozent.

Der Wettbewerb wird also grösser. Wie entwickeln sich die Preise?
Wir gehen von einer Preisreduk­tion von 25 bis 30 Prozent aus.

Weshalb?
Weil sich Restaurantbetriebe produktionstechnisch anpassen werden. Auch sogenannte Dark kitchens – Küchen als reine Produktionsstätten – wird es häufiger geben. Dabei fallen die Kosten für den Service und für repräsentative Standorte weg, was sich ebenfalls auf die Preise auswirken wird.

Sie gehen von einem weiteren Wachstum aus. In welchen Grössenordnungen denken Sie da?
Zwischen 2016 und 2018 ist der Umsatz im Schweizer Gesamtmarkt von 986 Millionen Franken auf 1,2 Milliarden gewachsen. Das sind zwanzig Prozent mehr. Zwischen 2018 und 2020 wird das Volumen nochmals um 15 Prozent wachsen – auf 1,4 Milliarden Franken.

Worauf stützen Sie diese Erwartung?
Ein Faktor ist zum Beispiel, dass es immer mehr Singlehaushalte gibt. Es gibt Schätzungen, wonach der globale Gesamtmarkt sich verzehnfachen wird. In China und in den USA werden schon Wohnungen ohne Küchen gebaut. Die Anzahl Stunden, in denen die Küche benutzt wird, geht mehr und mehr zurück. Die Funktion der Küche wandelt sich: weg von der Nahrungszubereitung, hin zu einem Ort des sozialen Austauschs.

Müssen wir uns über diese Entwicklung Sorgen machen?
Die Digitalisierung löst auch einen Gegentrend aus: Kochbücher boomen. Unter der Woche spart man mit Essensbestellungen Zeit, am Wochenende zelebriert man die Entschleunigung.

Persönlich

Dominic Millioud (41) wirkt seit 2016 als Geschäftsführer von Eat.ch. Der Basler gehört seit 2011 zum Unternehmen; er war erster Mitarbeiter nach dem Gründerteam. Millioud studierte Business Studies und Marketing an der Hochschule Pforzheim. Eat.ch ist seit 2011 Teil des britischen Bestellriesen Just Eat.

Dominic Millioud (41) wirkt seit 2016 als Geschäftsführer von Eat.ch. Der Basler gehört seit 2011 zum Unternehmen; er war erster Mitarbeiter nach dem Gründerteam. Millioud studierte Business Studies und Marketing an der Hochschule Pforzheim. Eat.ch ist seit 2011 Teil des britischen Bestellriesen Just Eat.

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