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Ess-Lieferdienste haben Hochkonjunktur
Der Schweiz vergeht der Appetit aufs Kochen

Die Schweizer bestellen Jahr für Jahr Mahlzeiten im Wert von mehr als einer Milliarde Franken. Wissenschaftler prognostizieren bereits Städte ohne private 
Küchen.
Publiziert: 28.12.2019 um 23:16 Uhr
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Aktualisiert: 29.12.2019 um 12:15 Uhr
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Für über 1,2 Milliarden Franken bestellen die Schweizer jährlich Essen.
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Reza Rafi

Was ist das für ein Schlagen und Klopfen, das an meine Ohren dringt? Ich trete näher und sehe einen Mann, der auf einem ­Tische Stücke Teiges mit der flachen Hand in runde Platten schlägt; da werden ‹Pizze› fabriziert. Die Pizza ist ein Kuchen, der erst durch seine Garnierung Charakter erhält.»

Als der Autor dieses Reiseberichts seine Zeilen über Neapel niederschreibt, ist die Pizza noch eine exotische, wenn nicht seltsame Speise aus e­iner fernen Welt. Der Text stammt aus der «NZZ» von 1857.

Heute ist der italienische Exportschlager fester Bestandteil der eidgenössischen Kulinarik. Nichts bestellen Schweizerinnen und Schweizer lieber nach Hause als Pizza.

60 Millionen Bestellungen im Jahr

Und sie bestellen immer häufiger, wie Daten von Eat.ch zeigen. Das Unternehmen beherrscht den Schweizer Markt für Esslieferdienste. Geschäftsleiter Dominic Millioud schätzt den Schweizer Umsatz im Jahr 2018 auf 1,2 Milliarden Franken. Bei einem Durchschnittsbetrag von 20 Franken pro Speise sind das 60 Millionen Bestellungen. «Zwischen 2018 und 2020 wird das Volumen nochmals um 15 Prozent, auf 1,4 Milliarden Franken, wachsen», sagt Mil­lioud im Interview.

Für SonntagsBlick hat Eat.ch eine Auswertung der Bestellungen des Jahres 2019 vorgenommen. Absolute Zahlen macht das Unternehmen nicht publik. Angesichts seiner Marktstellung lassen sich die Anteile jedoch auf das Essverhalten der Nation hochrechnen.

In der Deutschschweiz dominierte mit 49 Prozent die Pizza (jede zweite Bestellung). Die Welschen stehen auf Fernost: Sushi liegt mit 53 Prozent an der Spitze der Bestellungen. In der Innerschweiz ist der Anteil bestellter Burger am höchsten. Und die Walliser sind die Latinos unter den Eidgenossen: Im Rhonetal folgt nach Pizza gleich der mexikanische Fast-Food-Klassiker Tacos.

Salate vor allem in der Deutschschweiz

Und der Röstigraben ist eher ein Salatgraben: In der Deutschschweiz liegt der Anteil bestellter Salate mit 14 Prozent doppelt so hoch wie in der Romandie (7 Prozent). Ob sich daraus Rückschlüsse auf eine gesündere Lebensweise ziehen lassen, bleibt offen.

Unterschiede auch zwischen den beiden Basel: Die Baselbieter bestellen um die Hälfte mehr Pizzen – und doppelt so viel Salat wie die Stadtbasler.

Die Prognosen des Eat.ch-Chefs lassen keinen Zweifel: Die Digitalisierung hat unser Essverhalten erfasst.

Wohnungen ohne Küchen

Mehr noch: Unsere Art zu wohnen und zu leben wird umgepflügt. 2018 publizierte die UBS eine Studie zum Thema. Ihr Befund: Bis 2030 wird sich der weltweite Markt für Lieferservices verzehnfachen. Der Titel der Untersuchung bringt den aktuellen Trend auf den Punkt: «Is the kitchen dead?» (Ist die Küche tot?)

Tatsächlich werden heute in New York (USA), Shanghai (China) und Peking (China) Wohnungen ohne Küche gebaut. «Die Anzahl Stunden, in denen die Küche benutzt wird, geht mehr und mehr zurück», sagt Mil­lioud. «Die Funktion der Küche wandelt sich weg von der Nahrungszubereitung hin zu einem Ort des sozialen Austauschs.»

Die spanische Architektin Anna Puigjaner (39) hat 2018 in einem preisgekrönten Buch die Vision einer «Kitchenless city» (küchenlosen Stadt) entworfen. Sie hält Küchen in Privatwohnungen für ineffizient und fordert ein Zusammenleben, in dem das Kochen gänzlich kollektiviert ist. Der «Guardian» schreibt: «Um die Jahrtausendwende fielen die Wände weg, die Küche löste sich in den Wohnraum auf. Bald wird sie ganz aus den Haushalten verschwunden sein.»

In die gleiche Richtung geht die Entwicklung von «Dark Kitchens» (dunklen Küchen), wo Liefermahlzeiten industriell für Haushalte zubereitet werden.

«Der Käufer sagt, was er an den Kuchen wenden will. Zwei Minuten später ist die Pizza in den Ofen geschoben. In weiteren zwei Minuten ist sie gebacken», staunte der «NZZ»-Autor 1857. Das Streben nach Effizienz ist kein neues Phänomen.

Hier kochen die Allergrössten ihr Süppchen

Im Essenslieferdienst-Business kommt es eventuell bald zu einer Hochzeit der Giganten. Zwischen dem britischen Konzern Just Eat, der seit 2015 ganz im Besitz von Eat.ch ist, und dem nieder ländischen Unternehmen Takeaway.com bahnt sich eine Fusion an. Der US-Techriese Amazon wiederum ist bei der britischen Lieferplattform Deliveroo engagiert, dem direkten Rivalen von Just Eat und Takeaway.com, wogegen die Wettbewerbsbehörde in London Einwände hat. In der Schweiz will der US-Dienstleister Uber den Markt mit Uber Eats aufmischen.

Im Essenslieferdienst-Business kommt es eventuell bald zu einer Hochzeit der Giganten. Zwischen dem britischen Konzern Just Eat, der seit 2015 ganz im Besitz von Eat.ch ist, und dem nieder ländischen Unternehmen Takeaway.com bahnt sich eine Fusion an. Der US-Techriese Amazon wiederum ist bei der britischen Lieferplattform Deliveroo engagiert, dem direkten Rivalen von Just Eat und Takeaway.com, wogegen die Wettbewerbsbehörde in London Einwände hat. In der Schweiz will der US-Dienstleister Uber den Markt mit Uber Eats aufmischen.

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