Er wirkt wie saftig grüner Rasen, stinkt aber streng nach Pneugummi: der Sportplatz beim Strandbad in Thun BE. 7500 Quadratmeter Plastik wurden hier im Sommer neu verlegt und über 30 Tonnen Gummigranulat eingestreut.
Mit dem Kunstrasen haben die Thuner Fussballer nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter die Möglichkeit, draussen zu trainieren. Darum will man nächstes Jahr gleich zwei weitere Kunstrasenflächen bauen – die Stimmbürger sagten im September Ja zu diesem Millionenprojekt.
Was ihnen wohl nicht bewusst war: Sie sagten damit auch Ja zu einer Umweltsünde. Denn Kunstrasenfelder gehören zu den schlimmsten Mikroplastikverursachern überhaupt.
Gut ersichtlich auch bei der Plastikfläche im Thuner Strandbad: Überall zwischen Büschen und Bäumen rund um den Sportplatz findet sich das Gummigranulat des Kunstrasens. Oder Plastikgrasbüschel, die durch Wind, Wetter und Abnutzung weggeweht werden. Besonders viel Granulat verschwindet unkontrolliert vom Platz, wenn er vom Schnee geräumt werden muss.
3000 Tonnen Plastik pro Jahr
Wie schlimm die Umweltverschmutzung von Mikroplastik durch Kunstrasen ist, belegen Zahlen aus Skandinavien. So hat das norwegische Umweltforschungszentrum Framsenteret im Februar in einer Studie gezeigt: Von den 1600 Kunstrasenfeldern in Norwegen gelangen jährlich 3000 Tonnen Mikroplastik in die Umwelt. Das entspricht der Menge Plastik, die 33'000 Schweizer zusammen pro Jahr in den Müll werfen.
In der Schweiz spielt die Umwelt bei der Planung von Kunstrasen indes keine Rolle. Praktisch in allen Kantonen gibt es aktuell Projekte für neue Kunstrasenfelder. Alleine in den Städten Zürich und Bern sind 30 Prozent der Sportplätze bereits mit Kunstrasen versehen.
Es ging nie um die Alternative Naturrasen
Reto Kestenholz (40), Grünen-Stadtrat in Thun, war bei den geplanten Kunstrasen in der Stadt ein Kritiker auf verlorenem Posten. Im fiel auf: «Bei der Debatte im Stadtparlament ging es nie darum, zwischen Natur- oder Kunstrasen zu entscheiden.» Es habe auch keine Bedenken bezüglich der Umweltrisiken gegeben.
Auch in anderen Gemeinden werden Kunstrasen beschlossen, ohne die Umweltsünde zu thematisieren. Zuletzt sagten am 12. November in Worb BE Stadtparlamentarier Ja zu einem neuen Kunstrasen. Selbst die Grünen waren Feuer und Flamme. Warum nur?
Die Verlockung für Fussballvereine ist gross
Sportanlagen-Experte Eric Hardman, bis 2015 Gesamtverantwortlicher aller Sportanlagen in Basel, meint: Weil Sportanlagenbauer den Vereinen häufig das Grüne vom Himmel versprechen.
Etwa, dass Kunstrasenfelder kaum Unterhaltsarbeiten benötigen und eine sehr lange Lebensdauer hätten. «Fussballvereine, die frustiert sind mit den alten Naturrasen aus den 80er-Jahren, erliegen da schnell der Versuchung eines Kunstrasens», so Hardman.
Tatsächlich beträgt der Unterhalt für Kunst- und Naturrasen etwa gleich viel – aber das Kunstrasenfeld muss bereits nach zwölf Jahren komplett ersetzt werden. «7500 Quadratmeter Plastik, die aufwendig entsorgt werden müssen», so Hardman. Hinzu kommen die Kosten für rund drei Tonnen Granulat, das pro Jahr vom Platz «verschwindet» und ersetzt werden muss.
Achtung: Kostenfalle!
Die Baukosten sind zudem doppelt so hoch wie für moderne Naturrasen. «Viele Gemeinden sind darum schon in die Kostenfalle getappt», sagt Hardman.
Sportanlagenbauer werben aber nicht für moderne Naturrasen, denn die sind im Vergleich wenig lukrativ. «Naturrasen haben keine Lobby», sagt Hardman. Die Folge: ein Umwelt- und Finanzfiasko – gefördert durch die öffentliche Hand.
Kunstrasenplätze sind immer bespielbar, während man auf Naturrasen zu schnell nicht mehr spielen kann? Stimmt so nicht mehr. Heutige moderne Naturrasen seien nicht vergleichbar mit jenen aus den 80er-Jahren, sagt Sportanlagen-Experte Eric Hardman (57). «Früher mischte man Humus und Sand im Verhältnis von circa 60 zu 30 Prozent», sagt er. Resultat: Bei langen Regenfällen wurde der Rasen nass und schlammig.
«Heute besteht der Untergrund eines Naturrasens aus bis zu 95 Prozent Sand – das Wasser kann sich dadurch gar nicht mehr stauen», sagt Hardman. Das beweisen die Grünflächen in den Profi-Stadien. «Dort wird heute auch im Winter und bei schlechtem Wetter Fussball gespielt.»
Die Kapazitätsgrenze von Sportplätzen der 80er-Jahre lag bei rund 300 Stunden pro Jahr. Neue Naturrasen halten bis zu 900 Stunden aus. «Das ist für die meisten Gemeinden genug. Einzig in grossen Städten hat der Kunstrasen eine Berechtigung», sagt der Experte weiter. Wenn auch nur aus praktischer Sicht – «ökologisch bleibt er eine Sünde».
Kunstrasenplätze sind immer bespielbar, während man auf Naturrasen zu schnell nicht mehr spielen kann? Stimmt so nicht mehr. Heutige moderne Naturrasen seien nicht vergleichbar mit jenen aus den 80er-Jahren, sagt Sportanlagen-Experte Eric Hardman (57). «Früher mischte man Humus und Sand im Verhältnis von circa 60 zu 30 Prozent», sagt er. Resultat: Bei langen Regenfällen wurde der Rasen nass und schlammig.
«Heute besteht der Untergrund eines Naturrasens aus bis zu 95 Prozent Sand – das Wasser kann sich dadurch gar nicht mehr stauen», sagt Hardman. Das beweisen die Grünflächen in den Profi-Stadien. «Dort wird heute auch im Winter und bei schlechtem Wetter Fussball gespielt.»
Die Kapazitätsgrenze von Sportplätzen der 80er-Jahre lag bei rund 300 Stunden pro Jahr. Neue Naturrasen halten bis zu 900 Stunden aus. «Das ist für die meisten Gemeinden genug. Einzig in grossen Städten hat der Kunstrasen eine Berechtigung», sagt der Experte weiter. Wenn auch nur aus praktischer Sicht – «ökologisch bleibt er eine Sünde».