Das Herz auf beiden Seiten kurz anbraten, zum Carpaccio aufschneiden und sofort geniessen – «ein Edelstück!», schwärmt Nicole Hasler (32). Das passende Kalbsherz liegt bereits in ihrem Gefrierschrank. Vom Rind mag sie sogar das, was andere verachten. Sie öffnet ein Glas Rinderfett, sticht mit dem Löffel in die weisse Masse, sagt: «Riech mal, irgendwie milchig.»
Hasler ist mit ihrem Blog «zumfressngern» ein Aushängeschild der Schweizer «Nose-to-tail»-Bewegung geworden. Sie plädiert dafür, nicht bloss Filet, sondern das ganze Tier zu verzehren – von Kopf bis Schwanz eben. Essen sei Gewohnheitssache, vom Tier lande vieles völlig zu Unrecht im Abfall. Wieder kommt sie ins Schwärmen: «Schweinsöhrli! Ich würde das Ohr zuerst sieden, dann in feine Streifen schneiden und frittieren.» Es schmecke wie Pommes mit Schinken-Nuancen.
«Nose-To-Tail»-Konzept
Hasler fordert eine Rückbesinnung auf das Tier und mehr Wertschätzung für sein Fleisch. Der Konsument sollte sich wieder dafür interessieren, woher der Braten auf seinem Teller kommt, wie das Tier lebte, was es ass und wie es geschlachtet wurde. Sie ruft: «Blut!» Auch das werde verschwendet. Um es zu retten, wird Hasler kreativ. Kürzlich hat sie mit einem Metzger eine Curry-Geissenblut-Wurst für den Grill kreiert.
Das Konzept «Nose-to-tail» fänden alle gut, sagt Hasler. Mitessen wollen trotzdem nur wenige. Nichtsdestotrotz: Zu wissen, woher die Nahrung kommt, ist einer der wichtigen Food-Trends unserer Zeit, sagt Christine Schäfer (27), die beim Gottlieb Duttweiler Institut solche Strömungen erforscht.
Von unserer Nahrung verlangen wir heute aber noch viel mehr. Essen soll schnell und bequem zu konsumieren und trotzdem gesund und fein sein. Beides vereine das sogenannte «Superfood», etwa Avocado, Chia und Acaibeeren. Das neue Etikett verspreche dem Konsumenten, ihn gesünder, schöner, schneller und stärker zu machen. In Wahrheit, sagt Schäfer, sei es bloss ein cleverer Marketingbegriff.
Quinoa statt Bratwurst
Für Nadia Damaso (21) hingegen ist Superfood Alltag. In der Küche ihrer Zürcher WG drapiert die Bündnerin Avocado, Kresse, Granola und Mandelmus auf einem Bagel und presst darüber noch eine Limette aus.
Ihre Kreationen sind fleischlos, meist vegan, oft glutenfrei. «Eat better not less» heisst ihr Kochbuch – ein Bestseller. Für ihr zweites Buch bereist sie derzeit die ganze Welt. Die Schauspielschule hat sie längst aufgegeben. Ihr Publikum wächst trotzdem rasant. Fotografiert Damaso ihren Erdnuss-Porridge mit Blau- und Brombeeren-Püree, frischen Feigen und knusprigen, gesalzenen Haselnüssen, interessiert das auf Instagram aktuell 171 000 Menschen, und zwar von Pontresina bis Sydney. Ihr Erfolg? «Was ich koche, weicht von der Norm ab.» Quinoa statt Bratwurst also und Kokosblütenzucker statt Kristallraffinade. Es zahlt sich aus. Vom Grossverteiler bis zum Küchenbauer wollen alle die junge Bündnerin als Aushängeschild.
Gesund ist gut. Ungesund ist menschlich. Und Fett sicherte früher das Überleben. Wohl deshalb zieht es den Menschen noch heute zum Cordon bleu. Seit kurzem existiert dafür sogar ein spezieller Guide. Dessen Macher essen sich gerade durch die Schweizer Cordon-bleu-Landschaft und lassen ihre mittlerweile 6500 Mitglieder starke Fangemeinschaft daran teilhaben. Denn sie wissen: «Ungesundes zu geniessen ist der Gegentrend zum aktuell sehr gesunden Essen.» Chregu Moser (36) aus Oberburg BE hat gern einen Sechs-Kilo-Mocken vor sich. Und kann sich beim besten Willen nicht erinnern, auswärts jemals etwas anderes als Cordon bleu bestellt zu haben.
Oster-Rührei statt Schoggi-Hase
Niemals in so etwas beissen würde Dennis Hediger (30). Der FC-Thun-Spieler fügt seinem Körper nichts Ungesundes zu. Alles, was er isst, muss aus unverarbeiteten Zutaten bestehen. Das ergibt zum Mittagessen beispielsweise Couscous an Gemüsespaghetti mit Schweizer Trutenbrust. Hediger weiss genau, was sein Körper braucht, um maximale Leistung zu bringen.
Dafür verteilt er seine täglich 4000 Kalorien auf 70 Prozent Kohlenhydrate, 15 Prozent Eiweiss und 15 Prozent Fett. Schokolade würde er nie essen. Lieber geniesst er einen Teller Reis. Seiner Tochter Sophia (4) will er den Schoggihasen heute trotzdem nicht vorenthalten. Für ihn selbst jedoch gibt es höchstens ein Oster-Rührei.
Wer beim Essen und Trinken aus Lust am Genuss gerne mal übertreibt und einen überempfindlichen Magen hat, greift heute rasch nach einer Pille, die ihn vor schmerzvollen Folgen bewahrt: Protonenpumpenhemmer, «Säureblocker».
Sie hilft wirksam bei chronischem Reflux, gegen saures Aufstossen, schützt vor Magen- und Darmgeschwüren und lässt einen Saures, Scharfes und Süsses besser vertragen.
Rezeptpflichtig
Bekannt ist, dass auch viele Ärzte zu dieser Pille greifen, so gesteht ein Facharzt: «So zwei-, dreimal im Monat, bei einem Glas Weiss-wein zu viel oder nach einem supersüssem Dessert verhilft sie mir zu einem beschwerdefreien Schlaf.»
Säureblocker sind in der Schweiz bedingt rezeptpflichtig. Kleine 20-mg-Packungen sind in Apotheken frei erhältlich. Grössere Mengen verlangen die Verschreibung durch den Arzt. l Fibo Deutsch
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