Erika Heller (78) hat schon 13'000 Tiere gepflegt
Behörden schikanieren Igel-Mami

Bund und Kanton vergraulen ehrenamtliche Igel-Retterinnen. Jetzt drohen diese mit Boykott.
Publiziert: 22.04.2017 um 08:40 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 20:25 Uhr
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Tierschützerin Erika Heller ist frustriert: Nach 50 Jahren Igelpflege muss sie in den Fortbildungskurs.
Foto: Toini Lindroos
Romina Lenzlinger (Text) und Toini Lindroos (Fotos)

Über 13'000 Igel hat Erika Heller (78) schon gepflegt. In ihrer Notfallstation in Winterthur-Seen ZH päppelt sie verstossene und kranke Tiere auf, säubert ihre Wunden. Alles ehrenamtlich, sieben Tage die Woche. «Falls nötig, spritze ich ihnen eine Narkose oder erlöse auch mal ein schwerverletztes Tierchen von seinem Leiden», sagt Heller.

Doch jetzt machen ihr die Behörden das Leben schwer. Ab sofort schaut der Kanton Zürich den Igelstationen auf die Finger. Mitte Mai müssen sämtliche Leiter der sieben Pflegestellen an einem obligatorischen zweitägigen Weiterbildungskurs teilnehmen. Ansonsten verlieren sie die Bewilligung. Dem Schreiben liegt ein im Januar revidiertes Merkblatt vom Bund bei. Darin las Heller erstmals, dass sie keine Igel einschläfern oder betäuben darf. Eigentlich. «Sedationen und Euthanasie sind nur von einem Tierarzt durchzuführen», steht im Dokument. «Das ist Schikane und Tierquälerei», ärgert sich Heller.

Von den Behörden doppelt hintergangen

Denn die Realität sieht anders aus. Gerade nach Feierabend und an den Wochenenden, wenn öffentliche Igelstationen ihre Büros geschlossen haben, sind Ehrenamtliche wie die Winterthurerin die Helfer der ersten Stunde. «Ich bekomme immer wieder angefahrene oder von Maden befallene Igel, die man sofort einschläfern muss», sagt Heller. Bis ein Tierarzt vor Ort ist, könne es je nach Tageszeit Stunden dauern. «Ohne Spritzen leiden die Tiere Höllenqualen», sagt Heller. Zudem rolle sich ein verletzter Igel instinktiv zu einer Kugel zusammen – ohne Narkose komme sie gar nicht an die Wunde. «Die Bestimmung verbietet mir das Helfen. So muss ich die Igelstation schliessen!»

Das Igelmami der Nation fühlt sich von den Behörden genötigt. «Dass ich in meinem Alter und mit meiner Erfahrung noch zur Schule muss, ist eine bodenlose Frechheit», sagt Heller. Seit fünfzig Jahren setze sie sich für die stacheligen Tiere ein. «Und jetzt soll ich mir den Igel erklären lassen?»

«Wir fühlen uns alle schikaniert»

An den Kurs Mitte Mai geht sie nicht. Auch weitere langjährige und ehrenamtliche Igelpflegerinnen würden streiken, wie sie sagt. «Wir fühlen uns alle schikaniert. Heute gibt es fast keine Ehrenamtlichen mehr. Und nun vergraulen sie noch die letzten.»

Der Kanton begründet das Kursobligatorium mit dem unterschiedlichen Wissensstand bei den Igelstationen. Für die Vorschriften zur Narkose sei der Bund zuständig. BLICK hat alle involvierten Bundesämter mehrmals mit den Vorwürfen von Erika Heller konfrontiert. Eine konkrete Antwort blieb aus. Jedes Amt verwies auf das andere.

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