Das Kerzlein zwischen den hartgefrorenen Schneemassen flackert schwach. Und am Blumentopf hat sich der Frost festgesetzt. Ein kalter Wind zieht durch die Zivilschutzanlage Meierboden ob Chur.
Es ist der Ort, an dem Fabiano Bacchi (20) lebte und starb. An der Stelle wo jetzt das Kerzlein steht, lag der Hilfsarbeiter. Begraben vom Schnee, den der Schneepflug über ihm entlud.
Erst am Morgen nach dem Unglück entdeckt ihn seine Pflegemutter. Viel zu spät. «Ich sah zuerst nur den Stiel seiner Schaufel aus dem Schneeberg ragen», sagt Gaby Deplazes (61). «Ich habe sofort die Polizei alarmiert, ihn freigegraben, aber Fabiano war tot. Ich vergesse diesen Anblick nie mehr!»
Seit zwei Jahren wohnte Fabiano Bacchi bei Gaby Deplazes in der Wohnung über dem Zivilschutzzentrum. «Er hatte eine schwierige Zeit hinter sich und wollte zu mir kommen», erzählt die Putzfrau.
Der Junge lebte sich sofort gut ein. Er macht eine Anlehre als Automobilassistent, arbeitet später im Gartenbau, im September findet er eine Stelle als Aushilfsarbeiter. Gaby Deplazes: «Er war ein zuverlässiger, netter Kerl. Lastwagen, Wasser und Schnee waren seine Leidenschaften.»
Am Donnerstag nach der Arbeit raucht Fabiano mit der Pflegemutter auf der Terrasse noch eine Zigarette. «Er erzählte mir, dass er am nächsten Tag eine neue Stereoanlage in sein Auto einbauen wolle», sagt sie.
Dann will er um 19 Uhr noch raus in den Schnee. «Gegen halb zehn rief ich Fabiano zu, er solle hochkommen. Er war gerade dabei sich ein Kissen aus Schnee zu bauen», erzählt Gaby Deplazes. «Er rief mir noch zu, er komme gleich hoch.»
Doch Fabiano erscheint nicht. Gaby Deplazes schaut nach, sieht ihn nirgends. «Ich geriet in Panik, verstand nicht, wo er geblieben war. Ich musste mich selber beruhigen und dachte, er sei ins Restaurant gegangen, um etwas zu trinken. Er war ja kein Kleinkind mehr.»
Die ganze Nacht taucht Fabiano nicht auf. «Ich habe kein Auge zu getan, mir solche Sorgen gemacht», sagt Gaby Deplazes.
Als der Morgen anbricht und Fabiano immer noch nicht da ist, geht die Pflegemutter nochmals zur kleinen Wiese vor dem Haus. Zu einem Schneehaufen, den ein Schneepflug angehäuft hatte. «Da sah ich den Stiel seiner Schaufel», sagt sie. «Fabiano war immer schon ein Träumer. Er war oft tief versunken in seiner Welt. Er hatte sich bestimmt auf dem Kissen, das er gebaut hatte in den Schnee gelegt. Der Chauffeur des Pflugs muss ihn übersehen und den Schnee auf ihn gekippt haben», sagt Gaby Deplazes. Laut Polizei bemerkte der Fahrer des Pflugs das Unglück nicht. Nachdem er den Vorplatz des Zivilschutzzentrums vom Schnee befreit hatte, ging er heim.