Epidemiologe verlässt Taskforce des Bundes
Salathé sieht Schweiz technologisch massiv im Rückstand

Taskforce-Epidemiologe Marcel Salathé glaubte nicht richtig zu hören, als der Bund aktuellste Corona-Zahlen per Fax zu sammeln begann. Nun quittiert er seinen Dienst in der Corona-Taskforce, um mit einer neuen Organisation die Schweiz zu digitalisieren.
Publiziert: 21.02.2021 um 08:21 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2021 um 11:39 Uhr
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Der Basler Epidemiologe Marcel Salathé verlässt die Covid-Taskforce des Bundes.
Foto: Lundi 13

Der an der ETH Lausanne tätige Epidemiologe Marcel Salathé (46) hat offenbar genug von der Taskforce des Bundes. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, verlässt der Forscher die wissenschaftliche Covid-Beratergruppe des Bundes. Seine Erkenntnisse aus der Pandemie will Salathé nutzen, um die seiner Ansicht nach technologisch rückständige Schweiz zu digitalisieren.

Salathé ist nicht der erste prominente Abgang der Taskforce, doch im Vergleich zu früheren Abgängen macht der Basler deutlich, wie sehr die zuständigen Behörden während der Pandemie versagt hätten. Das will Salathé ändern. Dazu gründet er zusammen mit weiteren Interessierten eine gemeinnützige Gesellschaft, um Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Schweiz zu digitalisieren.

Gerade in technologischer Hinsicht habe die Verwaltung während der Krise versagt, so Salathé: «Wir sind im Datenblindflug; statt mit schnellen IT-Systemen versuchen wir, rasanten Entwicklungen mit Faxübermittlung beizukommen.» Seiner Ansicht nach sei die Schweiz «in zentralen Bereichen zwei Jahrzehnte im Rückstand».

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«Rückständige Schweiz»

Der Name der neuen, zusammen mit weiteren besorgten prominenten Namen aus Wirtschaft und Medizin gegründeten Organisation lautet CH++. Ziel der neuen gemeinnützigen Gesellschaft sei, den technologischen Rückstand der Schweiz aufzuholen.

Im Gespräch sagt Salathé unumwunden, wie rückständig die Schweiz in vielen wichtigen Bereichen sei. Das wolle er ändern: «Tatsächlich hat mir die Pandemie vor Augen geführt, wie rückständig wir in vielen technologischen Bereichen - insbesondere der Digitalisierung - sind.»

Zu Beginn der Pandemie - viel zu spät - sei deutlich geworden, welch immensen Vorteil eine moderne Dateninfrastruktur haben würde: «Ich staunte schon ziemlich, als ich erfuhr, dass die Daten der Infizierten und Toten teilweise noch per Fax übermittelt wurden. Auch die Probleme bei den Masken wären vermeidbar gewesen.»

Auch öffentliche Institutionen kritisieren

Mittlerweile habe jede grosse gesellschaftliche Herausforderung eine starke technologische Komponente. Er denke an Klimawandel und die grossen Datenschutzprobleme, die das Internet und die Digitalisierung mit sich bringen. «Damit die Schweiz diese Probleme bewältigen kann, ist es dringend notwendig, dass Politik und Verwaltung technologieaffiner denken. Genau das will unsere Organisation fördern.»

Dazu werde gehören, auch anzukreiden, wenn eine öffentliche Institution wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) technologisch im Rückstand sei: «Das werden wir sicher hin und wieder machen müssen.» (kes)

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