Energie
Kritik: Verordnungsänderungen greifen Verfahren zu AKW Beznau vor

Schelte für den Bundesrat wegen Neuerungen in mehreren Verordnungen zur Kernenergie: Atomkritiker und mehrere Parteien monieren, dass Vorschläge gemacht werden, bevor ein laufender Rechtsstreit zur Erdbebensicherheit des Kernkraftwerks Beznau entschieden ist.
Publiziert: 17.04.2018 um 09:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:05 Uhr
In einer Vernehmlassung wird kritisiert, dass Vorschläge des Bundesrates einem Gerichtsentscheid zur Erdbebensicherheit des AKW Beznau vorgreifen. (Archivbild)
Foto: KEYSTONE/ENNIO LEANZA

In der am Dienstag endenden Vernehmlassung geht es um die Kernenergieverordnung, die Kernenergiehaftpflichtverordnung, die Ausserbetriebnahmeverordnung und die Gefährdungsannahmenverordnung. Ziel sind unter anderem Präzisierungen zur Störfallanalyse und zur vorläufigen Ausserbetriebnahme aus Sicherheitsgründen.

Mit der Revision sollen heute unklar formulierte Bestimmungen unmissverständlich geregelt werden, wie der Bundesrat im Januar ankündigte. Die Neuregelung entspreche der bisherigen Praxis der Aufsichtsbehörde ENSI bei Störfallanalysen von Kernkraftwerken. Sie sei zudem konform mit den internationalen Vorgaben.

Swissnuclear, der Branchenverband der Kernkraftwerk-Betreiber, begrüsst das Vorhaben und spricht von einer Erhöhung der Rechtssicherheit. Die vorgeschlagenen Präzisierungen stünden in Einklang mit den Absichten des Gesetzgebers und mit der bewährten Praxis für die Aufsicht, schreibt er.

Von Greenpeace, dem Trinationalen Atomschutzverband und der Schweizerischen Energiestiftung (SES) kommt dagegen geharnischte Kritik: Die Vorschläge unterwanderten ein Rechtsverfahren gegen das Kernkraftwerk Beznau, in dem geltend gemacht wird, dass dieses einem starken Erdbeben nicht standhalten würde, halten sie fest und führen eine massive Abschwächung der Sicherheitsvorgaben ins Feld.

Die Atomaufsicht ENSI und die Axpo als Betreiberin des Kernkraftwerks wenden in ihren Augen die Sicherheitsbestimmungen falsch an. Für den Bundesrat zeigt das Verfahren, dass die Verordnungen unklar formuliert sind, wie er im Bericht zur Vernehmlassung schrieb.

Auch Bern, Standortkanton des Kernkraftwerks Mühleberg, fordert, mit den Verordnungsänderungen zuzuwarten bis zum Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts zu Beznau. Erst danach dürfe «eine Interpretation der bisherigen Bestimmungen in rechtlich präzisere Form gegossen» werden, verlangt die bernische Kantonsregierung.

Die Revision der Verordnungen verschlechtere das bisherige Sicherheitsniveau für Kernkraftwerke, bemängeln Bern und auch Basel-Stadt. Der Kanton Freiburg hat Vorbehalte zu den neuen Grenzwerten bei Störfallanalysen und begründet diese mit nicht verfügbaren Erläuterungen zur derzeitigen Praxis.

Aargau als weiterer AKW-Standortkanton hingegen verweist auf die Kompetenz des Bundes bei der Regelung der Kernenergie. Der Kanton selber habe keinen Fachbereich für die Beurteilung der Sicherheit der Anlagen und stütze sich auf die Beurteilungen der Aufsichtsbehörde ENSI, heisst es in der Stellungnahme aus Aarau.

Auch die Grünen, die GLP und die SVP stört, dass der Bundesrat die Verordnungsänderungen vorlegt, bevor der Fall Beznau entschieden ist. Der Bundesrat wolle die Verordnungen anpassen, um das «marode Uralt-AKW Beznau» weiter betreiben zu können. Damit missachte er das Prinzip der Gewaltenteilung, so die Grünen.

Mit «ungehörig» kommentiert auch die GLP das Vorgehen der Regierung. Sie verlangt, die Revisionsvorlage, soweit sie die Störfallanalyse und die vorläufige Ausserbetriebnahme von Anlagen betrifft, bis nach dem Entscheid über Beznau zurückgestellt wird.

Die SVP unterstützt die Vorschläge und hätte sich eine frühere Revision gewünscht. Damit hätte «den relativ einfach zu widerlegenden Argumenten der Beschwerdeführer der Wind aus den Segeln genommen» werden können, schreibt sie. Schon 2012 habe die Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) auf den rechtlichen Klärungsbedarf hingewiesen.

Die FDP ist sowohl inhaltlich und auch was den Zeitpunkt anbelangt einverstanden mit dem Vorgehen des Bundesrates. Sie verlangt aber, klar darzulegen, weshalb die Vernehmlassung unabhängig vom laufenden Verfahren zu Beznau schon jetzt durchgeführt werden müsse.

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