Emil G. Bührle produzierte Kanonen und sammelte Kunst. Ein neues Buch rückt diesen Zusammenhang ins Bewusstsein.
Kunst dank Kanonen

Die Autoren machen schon im Vorwort klar: «Der Name Bührle ist noch immer ein Reizwort, steht er doch für die Verknüpfung von Waffen und Kultur, von Geld und Macht, für Arroganz und Knausrigkeit. Bührle hat die Vorstellung kultiviert, dass die Liebe zur Kunst, das Sammeln von Kunst den Menschen veredle. Wer Sinn für das Schöne hat, kann kein schlechter Mensch sein. Bührle hatte nie Skrupel bezüglich seiner Tätigkeit als Waffenfabrikant – im Gegenteil.»
Publiziert: 23.08.2015 um 19:49 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:55 Uhr
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Rechte Gesinnung: In jungen Jahren, nach dem Ersten Weltkrieg, war Emil G. Bührle Mitglied eines Freikorps, das sich mit Kommunisten prügelte.
Foto: RDB
Von René Lüchinger

Herausgeber des heute erscheinenden Buchs «Schwarzbuch Bührle – Raubkunst für das Kunsthaus Zürich?» sind der Historiker Thomas Buomberger und der Ausstellungsmacher Guido Magnaguagno.

Am Anfang der Karriere Emil Georg Bührles steht ein Studium der Kunstgeschichte und die Faszination für französische Impressionisten. Dann kommen die Waffen. Erst viel später folgt sein Engagement für das Kunsthaus. Dann nämlich, als «der deutsche Parvenü» sich dadurch «die Anerkennung durch die Zürcher Gesellschaft» erhofft, die ihm «zeitlebens mit Distanz begegnete», wie die Autoren schreiben.

Ein Parvenü ist Bührle zweifellos, ein Import aus deutschen Landen in unruhigen politischen Zeiten – und diesen ist es auch geschuldet, dass der Emporkömmling Bührle zum bedeutendsten Waffenproduzenten der Schweiz aufsteigt.

Der 1890 im badischen Pforzheim geborene Bührle dient im Ersten Weltkrieg als Kavallerieoffizier, denkt stramm antikommunistisch-deutschnational und meldet sich nach dem Krieg bei einem Freikorps, das im Januar 1919 in Berlin an der Niederschlagung des Spartakusaufstands beteiligt ist. Dabei kommen die kommunistischen Reichstagsabgeordneten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ums Leben. Dann geht es weiter nach Magdeburg, wo das Freikorps ähnliche Aufstände niederzuschlagen hat. Bührles Freikorpseinheit wird dort im Hause des Bankiers Ernst Schalk einquartiert – und dieser Mann hat eine schöne Tochter namens Charlotte, die im Jahre 1920 Bührles Frau wird. Mehr noch: Der Schwieger­vater ist beteiligt an der Magdeburger Werkzeug- und Maschinenfabrik AG, und dort findet der junge Mann einen ersten Job.

Diese familiären Bande und Schockwellen der Weltgeschichte bringen die Karriere des Emil Bührle in Schwung. Das kommt so: Der Versailler Vertrag verbietet dem besiegten Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg die militärische Wiederaufrüstung. Das führt dazu, dass Industrielle und Militärs die Entwicklung von Waffensystemen ins Ausland verlagern – zu diesem Zweck kauft die Magdeburger Werkzeug- und Maschinenfabrik im Jahre 1923 die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO). Für die neue Tochtergesellschaft ist ein Chef mit verlässlicher deutschnationaler Gesinnung vonnöten. Was liegt näher, als auf den mittlerweile 34-jährigen Emil Bührle zu setzen?

Mit einem klaren Auftrag tritt der Neue Anfang 1924 in Zürich seinen Job an: Nur ein halbes Jahr später erwirbt Bührle aus der Konkursmasse der Maschinenbau AG Seebach das Patent für ein 20-Millimeter-Geschütz, das ein ­deutscher Ingenieur namens Reinhold Becker entwickelt hat. Mit Geldern der deutschen Heeresleitung wird die Becker-Kanone in Zürich-Oerlikon perfektioniert und mausert sich zum Exportschlager. Bis 1930 liefert Emil Bührle 120 Kanonen nach China an den General Chiang Kaishek, der im chinesischen Bürgerkrieg (1927–1949) Gegenspieler von Mao Zedong ist. Sein Meisterstück ist jedoch die Lieferung von 45 Kanonen an Deutschland – über Umwege, unter Verletzung des Versailler Vertrags und mit dem Segen der Schweizer Behörden.

Längst ist die Bührle-Fabrik ein wichtiger Auftraggeber für Zulieferer aus der Schweiz, darunter Rüstungsbetriebe der Schweizer Armee. Es trifft sich gut, dass Bührles Schwiegervater Ernst Schalk im Jahre 1929 die Aktienmehrheit der Firma übernehmen kann. Knapp zehn Jahre später wird Emil Bührle alleiniger Inhaber der Kommanditgesellschaft Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co.

Kanonen sind gefragt in diesen Zeiten. Und Emil Bührle liefert in den 30er-Jahren ohne ideologische Scheuklappen an jeden, der zahlt. An die Roten in Spanien, die im Bürgerkrieg gegen den Faschisten Franco stehen. An das unabhängige Abessinien, das heutige Äthiopien, welches sich mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg durch das faschistische Königreich Italien konfrontiert sieht.

Als der Zweite Weltkrieg beginnt, liefert Bührle zunächst an die britische und französische Armee, und nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor bestücken selbst die Amerikaner ihre Flotte mit Oerlikon-Bührle-Kanonen.

Zentral werden nun jedoch die Lieferungen an Nazi-Deutschland. Diese werden «zu einem wichtigen Element der schweizerischen Aussenpolitik», urteilen die Autoren, «das zentrale Instrument einer Strategie, mit der sowohl eine profitable Binnenwirtschaft gesichert wie eine gewisse aussenpolitische Aktionsfähigkeit bewahrt werden» könne. Jobs im Inland also – sowie Waffen für den Kriegstreiber Nazi-Deutschland.

Als im Juni 1940 Frankreich fällt, setzt sich der mächtige Direktor des Wirtschaftsverbandes Vorort, Heinrich Homberger, dafür ein, «die äussersten Anstrengungen zu machen, um Deutschland mehr Ware, inklusive Kriegsmaterial, zu liefern».

Immerhin ist es ein Schweizer, der Kanonen nach Berlin liefert – Bührle hatte bereits im Jahre 1937 die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen. Und dank seiner Waffengeschäfte wird der Mann märchenhaft reich. Sein Vermögen schnellte buchstäblich nach oben – «von 8,5 Millionen (1939) auf 170,7 Millionen Franken (1945), womit Bührle als ­reichster Schweizer galt», urteilen die «Schwarzbuch»-Autoren.

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Der Name Bührle steht für Kanonen und Kunst. Im Jahr 2017 soll die Sammlung Bührle in den Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich überführt werden, der vom englischen Architekten David Chipperfield konzipiert und zu rund 40 Prozent aus Steuergeldern finanziert worden ist.

Die Neuerscheinung «Schwarzbuch Bührle» stellt die Frage: «Raubkunst für das Kunsthaus Zürich?» BLICK bringt dazu eine zweiteilige Serie. Teil 1: Wie die Bührles zu ihren Millionen kamen.

Der Name Bührle steht für Kanonen und Kunst. Im Jahr 2017 soll die Sammlung Bührle in den Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich überführt werden, der vom englischen Architekten David Chipperfield konzipiert und zu rund 40 Prozent aus Steuergeldern finanziert worden ist.

Die Neuerscheinung «Schwarzbuch Bührle» stellt die Frage: «Raubkunst für das Kunsthaus Zürich?» BLICK bringt dazu eine zweiteilige Serie. Teil 1: Wie die Bührles zu ihren Millionen kamen.

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