Die Ex-Regierungsrätin Elisabeth Zölch (57) ist eine elegante Erscheinung. Sie empfängt den SonntagsBlick in ihrer geschmackvoll eingerichteten kleinen Wohnung in der Berner Altstadt. Alles hier atmet den Stil einer Frau, die sich ihrer selbst sicher ist. Mit 55 Jahren – in einem Alter, in dem andere an die Rente denken – hat sie es nach zwölf Jahren Regierungstätigkeit gewagt, die Weichen neu zu stellen. 2007 liess sie sich zur Präsidentin des Arbeitgeberverbands der Schweizerischen Uhrenindustrie wählen.
Viele Altersgenossinnen würden sie beneiden um ihr abwechslungsreiches Leben voller Erfolgserlebnisse. Niemand würde ahnen, dass diese gestandene Frau in der vergangenen Woche schlaflose Nächte erlebt hat. Sie ist in die Schlagzeilen geraten. Sie und ihr Mann, von dem sie mittlerweile geschieden ist, hätten von 2002 bis 2005 keinen Rappen Steuern bezahlt, wie die «SonntagsZeitung» berichtete (siehe Box).
«Diese Schlagzeilen treffen mich», gesteht die Ex-SVP-Regierungsrätin. Dabei hat sie nur getan, was eine liebende Frau eben tut, und ihrem Mann voll vertraut. Wie viele Geschlechtsgenossinnen ihrer Generation habe sie ein «Grundvertrauen» in die Ehe, in die Liebe. Draussen im Leben mögen diese Frauen ihren Mann stehen. Aber zu Hause wollen sie sich nicht in die Geschäfte ihres Partners einmischen.
Elisabeth Zölch hat eine unglaubliche Geschichte erlebt. Franz A. Zölch (59), der bekannte und lange erfolgreiche Berner Medienanwalt, der Mann, mit dem sie 25 Jahre ihres Lebens teilte, schlitterte in den Jahren 2001 und 2002 in Verluste. Aber er sagte seiner Frau kein Wort. Vielleicht, weil das sein männliches Ego angekratzt hätte oder weil er seine Frau schonen wollte.
So war es für sie eine Selbstverständlichkeit, dass sie sich aus einer gemeinsamen Schublade bediente, wo stets Geld bereitlag. «Wir hatten kein Haus, keine Ferienwohnung, wir machten keine grösseren Anschaffungen.» Für den Alltag war genug da. Dass der Ehemann ihr die Steuererklärung nicht zur Unterschrift hinlegte, hat sie aus Vertrauen zu ihm nicht hinterfragt.
«Das war ein Fehler», gesteht sie heute ein. Die Berner Steuerbehörden akzeptieren die Steuererklärung eines Ehepaars, auch wenn nur eine Partei unterschrieben hat. Die Beamten gehen vom stillschweigenden Einverständnis des Ehepartners aus.
Vorwürfe macht sie ihrem Mann in der Öffentlichkeit dennoch nicht. «Franz hatte zu jener Zeit ein Anwaltsbüro, eine Einzelfirma mit rund zwanzig Mitarbeitern. Die Steuererklärung wurde von Fachleuten gemacht», erinnert sie sich.
Natürlich kommen ihr im Nachhinein Situationen in den Sinn, die sie hätten stutzig machen sollen. «Gerne wäre ich nach Südafrika in die Ferien. Aber Franz hatte immer Geschäftstermine.» Für sie war das kein Problem. Selbst als die Ehe Abnutzungserscheinungen zeigte, nahm sie das gelassen hin.
Irgendwann aber hielt sie es doch nicht mehr aus. Ehrlich, wie sie ist, wollte sie den geraden Weg gehen. Sie entschied sich zu einer sauberen Trennung, auch die Arbeitskollegen wurden eingeweiht, wie es sich für jemand mit Verantwortungsgefühl gehört. «Ich informierte meine Regierungsratskollegen und die damalige SVP-Fraktion über das Scheitern meiner Ehe.»
Elisabeth Zölch blickt von ihrem Balkon mit der wunderschönen Aussicht über die Aare. Dort joggt sie jeden Tag und hält sich fit. «Ich blätterte damals sozusagen eine Seite um», sagt sie. Denn beim Trennungsverfahren kam der grosse Schock: «Ich realisierte, dass die wirtschaftliche Pechsträhne meines Mannes ihn gezwungen hatte, meinen Regierungsratslohn zur Rettung seiner Kanzlei einzusetzen.»
Das hat wehgetan, wie sollte es nicht? Frauen kennen ja diese Zweifel: Hätte sie ihrem Mann besser zuhören sollen? Hat sie die kleinen Signale nicht erkannt? Es waren ja eigentlich reiche Jahre mit ihm. Elisabeth Zölch erzählt von ihrer spannenden Zeit als Nationalrätin, als Regierungsrätin und als Bundesratskandidatin, «das gute Kapitel».
Warum war sie so naiv? Gerade für eine erfolgsverwöhnte Frau ist es hart, Schwächen einzugestehen. «Das Schlimmste an der Sache ist, dass ich so gutgläubig war. Ich verstehe das Unverständnis der Menschen, die mir jetzt empörte Briefe schreiben.»
Eigentlich haben alle ihre Freunde und Bekannten sie davor gewarnt, mit den Medien zu sprechen. Aber sie will sich nicht verstecken, sie will zu allem stehen: «Ich bin eine eigenständige Persönlichkeit.» Und so hat sie nach der Scheidung wieder Fuss gefasst. Zuerst trat sie als Regierungsrätin zurück, «aber das hatte nichts mit dieser Sache zu tun».
Ihr neuer Beruf als Präsidentin des Arbeitgeberverbands der Uhrenindustrie ist für sie «eine wunderbare Aufgabe. Ich bin zurzeit voll in Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften engagiert, kümmere mich um Minimallöhne und den Teuerungsausgleich. Alles Themen, die mich faszinieren». Als sei ihr Terminkalender immer noch nicht voll genug, engagiert sie sich unter anderem bei der Winter- und Berghilfe. Und sie kümmert sich innerhalb eines Projekts im Emmental um Jugendliche, die in schwierigen Verhältnissen stecken.
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