Einmarsch in Syrien heizt Kurden-Konflikt an
Nachrichtendienst warnt vor Anschlägen in der Schweiz

Der Krieg der Türkei gegen die nordsyrischen Kurden bedroht auch die Schweiz. Experten warnen vor Gewaltausbrüchen.
Publiziert: 04.02.2018 um 12:35 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:30 Uhr
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Kurden protestieren auf der Berner Kirchenfeldbrücke nach einer Auseinandersetzung mit türkischen Nationalisten.
Foto: PETER KLAUNZER
Fabian Eberhard

Der Olivenzweig gilt seit der Antike als Symbol des Friedens. Doch für Zehntausende Menschen in der nordsyrischen Provinz Afrin bedeutet er in diesen Tagen Krieg, Elend und Zerstörung.

Unter dem Namen «Operation Olivenzweig» bombardieren türkische Kampfjets seit zwei Wochen kurdische Dörfer, Panzer rücken über die Grenze vor. Machthaber Recep Tayyip Erdogan kündigte an: «Zuerst werden wir die Terroristen ausrotten, dann werden wir es dort lebenswert machen.»

Die Militäroffensive der Türkei heizt den Kurdenkonflikt neu an – auch in der Schweiz. Experten und Sicherheitsbehörden befürchten Gewaltausbrüche.

Bis jetzt blieben Protestaktionen beider Seiten in der Schweiz mehrheitlich friedlich. Doch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beobachtet die Spannungen mit Sorge und warnt vor Anschlägen auf türkische und kurdische Einrichtungen. Laut Sprecherin Isabelle Graber stellen vor allem türkische Vereinslokale, Reisebüros der Luftfahrtgesellschaft Turkish Airlines sowie amtliche Stellen potenzielle Ziele dar. Aber auch Angriffe auf Moscheen, die von nationalistisch oder islamistisch orientierten Türken besucht werden, seien möglich.

«Die wahrscheinlichste Bedrohung der inneren Sicherheit der Schweiz im Bereich des ethno-nationalistischen Terrorismus sind derzeit gewalttätige Zusammenstösse zwischen PKK-Anhängern und Personen aus türkisch-islamistischen Kreisen», sagt Graber. Deutliche Worte vom sonst so verschwiegenen Nachrichtendienst. PKK heisst die Untergrundorganisation der Kurden.

«Die Stimmung ist aufgeheizt»

Klar ist: Erdogans Offensive wühlt die türkisch-kurdische Gemeinschaft in der Schweiz auf. Vor einer Woche demonstrierten in Zürich knapp 15'000 Kurden – so viele wie seit Jahren nicht mehr. Sie skandierten «Erdogan Mörder» und forderten den sofortigen Stopp des «völkerrechtswidrigen Angriffs» auf ihr Volk. Zwei Tage nach der samstäglichen Grossdemonstration versuchten Unbekannte ein Fahrzeug vor dem türkischen Konsulat in Zürich in Brand zu setzen. Der Anschlag schlug fehl. Wer dahinter steckt, ist Gegenstand von Ermittlungen. Ein Bekennerschreiben deutet auf Täter aus linksradikalen Kreisen hin. Eine Überraschung wäre das nicht: Laut NDB-Sprecherin Graber verfügt die PKK in der Schweiz über aktive Unterstützung aus der gewalttätigen linksextremen Szene.

Die kurdische Grossrätin Edibe Gölgeli (SP/BS) hofft, dass die Spannungen zwischen Türken und Kurden in der Schweiz nicht in Gewalt umschlagen. «Die Stimmung ist aufgeheizt», sagt sie. Die Wut unter den Kurden sei enorm. Gölgeli befürchtet: «Randgruppen beider Seiten könnten mit Gewalt auf die Eskalation in Syrien reagieren.»

In sozialen Medien hetzen Erdogan-Anhänger gegen Friedensfreunde. «Leute werden denunziert und an den Pranger gestellt», berichtet Gölgeli. Tatsächlich herrscht auch unter Erdogan-Fans in der Schweiz Kriegseuphorie. Jeder, der nicht bedingungslos hinter der Militäroperation steht, gehört für sie zu den Terroristen. Ganz so, wie es der türkische Machthaber propagiert. «Wer sich uns in den Weg stellt, wird hinweggefegt», sagte er – und meinte damit nicht kurdische Krieger, sondern türkische Pazifisten.

Kurden scharen sich wieder hinter der PKK

Nicht nur die Kurden, auch natio­nalistische Türken gehen auf die Strasse. Am 16. Januar marschierten Erdogan-Fanatiker in Zürich-Oerlikon auf. Mit Kopftuch verhüllte Frauen schwenkten Olivenzweige, Männer bejubelten am Mikrofon den Einmarsch in Syrien. Organisiert wurde die Kundgebung von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), einer Lobbyorganisation der Regierungspartei AKP. Murat Sahin, der UETD-Präsident, traf sich erst vor zwei Wochen in Ankara mit Erdogan.

Er ist Erdogans Arm in die Schweiz: Der türkische Nationalist Murat Sahin (links) trifft den türkischen Machthaber in Ankara.
Foto: ZVG

Alexander Clarkson, Türkei-Experte am King's College in London, sieht in den neuen Spannungen zwischen Kurden und Türken in Mitteleuropa Parallelen zu Konfrontationen der Neunzigerjahre: «Der Nationalismus in der türkischen Diaspora flammt neu auf, Kurden scharen sich wieder vermehrt hinter die PKK.»

Was bedeutet das für die Schweiz? Clarkson: «Die Entwicklung könnte in neuen Gewalttaten gipfeln.» Als Täter kämen ins­besondere junge Militante in­frage.

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