Eine ehemalige Prostituierte klagt an
Es gibt kein Recht auf Sex

In der Schweiz wollte keine Frau aus dem Milieu öffentlich darüber reden. Darum baten wir die Deutsche Huschke Mau um einen Bericht über Freier, Hate Fucks und ihren Ekel.
Publiziert: 20.05.2018 um 17:25 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:20 Uhr
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Ihr Gesicht zeigt sie – ihren Namen macht sie nicht öffentlich. Huschke Mau ist ein Pseudonym.
Foto: Martin Jehnichen
Aufgezeichnet von Aline Wüst

Zehn Jahre arbeitete Huschke Mau als Prostituierte. Nun hat sie das Netzwerk Ella gegründet, eine Vereinigung von Frauen, die im Milieu waren oder sind. Sie kämpfen dafür, dass es verboten wird, Sex zu kaufen. Ihre Forderung: dass Prostitution als Gewalt gegen Frauen anerkannt wird. Hier erzählt Mau, was sie erlebt hat – und was sie sich wünscht.

«Was die Prostitution mit einem macht, können sich fast alle erst dann eingestehen, wenn sie ausgestiegen sind. Während du da drin bist, hast du keine Zeit, dich darum zu kümmern. Du versuchst einfach nur, irgendwie zu überleben. Aber ich kenne niemanden, der keinen Schaden davongetragen hat. Viele leiden an Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen, an Sucht oder einem geringen Selbstwertgefühl.

Es ist nicht nur der ­Widerwille vor dem Geschlechtsverkehr. Es ist auch der Speichel im Gesicht, der Geruch, der Schweiss. Vielen Menschen ist doch schon unangenehm, wenn ihnen jemand in der Strassenbahn zu nahe kommt. Die sollten sich einmal vorstellen, mit dieser Person Sex haben zu müssen.

Man muss so tun, als ob es einem gefallen würde

Das Allerschlimmste, das Beschämendste aber ist, bei seinem eigenen Missbrauch auch noch so zu tun, als ob es einem gefallen würde. Gewalt ist in der Prostitution allgegenwärtig und so alltäglich, dass du sie gar nicht mehr wahrnimmst – oder nur noch in extremen Fällen.

Letzte Woche erzählte mir eine Kollegin unseres Netzwerks, dass sie an diesem Tag einen Hate Fuck mit einem Freier erlebte, also extrem brutalen Geschlechtsverkehr, eigentlich eine Vergewaltigung. Sie war ganz verstört, sagte aber, sie könne das nicht anzeigen. Die Polizisten würden sie doch bloss auslachen und sagen: Es war ja bezahlt. Aber es ist nicht nur die physische Gewalt. Es ist auch diese ständige verbale Abwertung. Ich kann gar nicht zitieren, was Männer zu mir sagten, während sie mich penetrierten.

Ich frage mich auch, wa­rum Männer es in Ordnung finden, mit einer Frau zu schlafen, wenn sie wissen, dass sie es nicht will. Einfach mal drüberrutschen, obwohl sie wissen, dass die Frau in einer Notlage ist, dieses Geld braucht und sonst unter keinen Umständen mit ihnen Sex haben würde.

Prostitutionsbefürworter behaupten, dass wir nicht unseren Körper verkaufen, sondern eine Dienstleistung. Bei einer Dienstleistung spielt es aber doch keine Rolle, wer sie erbringt. Ist es nicht egal, ob der Mensch, der dir die Haare schneidet, alt, jung, männlich oder weiblich ist? Wäre Prostitution eine Dienstleistung, wäre es egal, wer den Blowjob macht. Es könnte ein 80-jähriger Opa sein, müsste nicht die junge Frau mit den grossen Brüsten sein.

Der Körper hängt dran bei der Prostitution, ganz klar. Und da drin im Körper, da bin ich. Ich habe auch eine Seele, ich habe auch Gefühle.

Recht auf Sex

Viele Männer meinen, sie hätten ein Recht auf Sex. Oft liessen sich Freier bei mir über ihre Frauen aus. Darüber, dass es zu Hause keinen Sex gibt und sie deshalb zu mir kommen. Natürlich habe ich ihnen gesagt, dass es in Ordnung ist. Dass sie ein Recht dazu haben. Die Wahrheit ist: Es gibt kein Recht auf Sex. Auch in der Ehe nicht.

Ich bin sicher, dass Pros­titution einen Einfluss auf das Frauenbild einer Gesellschaft hat. Sie verstärkt die Ungleichheit zwischen Mann und Frau. Ein Freier geht nicht aus dem Bordell und vergisst, dass er sich da soeben eine Frau kaufen und mit ihr Sex haben durfte, obwohl sie dazu keine Lust hatte. Da­rum geht Prostitution alle etwas an.

Prostitution kann nicht von Sexismus, Klassismus und Rassismus getrennt werden: Sie ist ein System, das darauf aufbaut, solche Strukturen nutzt und bewahren hilft.

Ich wünsche mir, dass den Prostituierten zugehört wird. Und zwar nicht nur den paar Frauen, die immer wieder in den Me­dien als glückliche Sexworkerinnen dargestellt werden – sondern dem Heer von Frauen, die unsichtbar im Hintergrund stehen. Ich wünsche mir, dass Prostitution als Gewalt gegen Frauen anerkannt wird. Freier sind Täter. Sie bestimmen die Nachfrage. Da setzt das nordische Modell an: Es bestraft Männer, die Sex kaufen, und hilft Frauen, auszusteigen.

Vergewaltigung in der Ehe war vor noch nicht allzu langer Zeit keine Straftat. Nun müssen wir auch bei der Prostitution umdenken.

Klar, es gibt grossen Widerstand und eine mächtige Lobby, die dagegen kämpft, weil sie sehr viel Geld verdient. Aber es wäre ein extrem wichtiger Schritt in Richtung einer gleichberechtigten Gesellschaft.»

Europa: Grosse Unterschiede bei Gesetzen

Prostitution wird in Europa unterschiedlich gehandhabt. In Albanien ist sie verboten, in Ländern wie Deutschland, Holland und der Schweiz legal und damit ein Job wie andere auch, inklusive Steuerpflicht. Einen anderen Weg gingen die Schweden. Vor bald 20 Jahren stellten sie den Kauf von Sex unter Strafe. Der Freier macht sich strafbar, nicht die Prostituierte. Ihr wird beim Ausstieg geholfen. Norwegen, Island, Irland, Nordirland und Frankreich haben heute ebenfalls dieses sogenannte nordische Modell. Kritiker befürchten, dass die Frauen damit in den Untergrund gedrängt würden. Die schwedische Polizei spricht von Erfolgen: Die Prostitution habe abgenommen, Schweden sei für Menschenhändler unattraktiver geworden.

Prostitution wird in Europa unterschiedlich gehandhabt. In Albanien ist sie verboten, in Ländern wie Deutschland, Holland und der Schweiz legal und damit ein Job wie andere auch, inklusive Steuerpflicht. Einen anderen Weg gingen die Schweden. Vor bald 20 Jahren stellten sie den Kauf von Sex unter Strafe. Der Freier macht sich strafbar, nicht die Prostituierte. Ihr wird beim Ausstieg geholfen. Norwegen, Island, Irland, Nordirland und Frankreich haben heute ebenfalls dieses sogenannte nordische Modell. Kritiker befürchten, dass die Frauen damit in den Untergrund gedrängt würden. Die schwedische Polizei spricht von Erfolgen: Die Prostitution habe abgenommen, Schweden sei für Menschenhändler unattraktiver geworden.

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