Im Chuchichäschtli von Lisa und Prosper (28 und 27) Filipe aus Freiburg sieht es aus, als hätte ein Grosi aus Gotthelfs Zeiten für den Winter vorgesorgt. Der Digital-Spezialist und die studierte Ethnologin haben für den Winter eingelegtes Gemüse gebunkert – denn dann wachsen in der Schweiz keine Bio-Tomaten, und die Filipes essen gedörrte oder eingemachte.
Die Filipes ernähren sich ausnahmslos bio, saisonal und regional. «Intensivkäufer» nennt der Verband der Bio-Produzenten BioSuisse solche Konsumenten, die mehrmals in der Woche Bioprodukte ins Körbli legen. Obwohl sie meist zuhause kochen, gehen die Filipes eigentlich gern auswärts essen. Da haben sie allerdings ein Problem: Das Bio-Angebot in der breiten Gastronomie sei zu dürftig, klagt Prosper Filipe.
Der Detailhandel feiert Erfolge mit Bio
Dabei wäre die Nachfrage nach Bio da. Coop, Schweizer Marktführer bei Bioprodukten, setzt jährlich 1.8 Milliarden Franken mit dem grünen Label um, wie der Detailhändler diese Woche vermeldete. Das sind 8,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Der gesamte Detailhandel erwirtschaftet inzwischen zehn Prozent seines Umsatzes mit Bio.
Keine Frage: Bio ist angekommen. Bloss nicht in der Gastronomie. Laut einer Umfrage des Branchenverbands Gastrosuisse servieren nur sieben Prozent aller Schweizer Gastrobetriebe auch Bio-Gerichte. Nur eine Handvoll Restaurants schweizweit ist mit der «Knospe» von BioSuisse ausgezeichnet, das heisst, diese Lokale führen nachweislich ein Bio-Angebot. Daneben ehrt die Stiftung Goût Mieux nachhaltige Restaurants – nicht zu verwechseln mit dem Restaurantführer Gault-Millau. Aber die Zahl der ausgezeichneten Restaurants stagniert seit Jahren bei landesweit 30.
Weil ihnen das offizielle Angebot an Restaurants, die Bio-Ware servieren, zu klein ist, haben Prosper und Lisa Filipe privat ein eigenes Verzeichnis erstellt. Sie fanden in der Schweiz «ungefähr 220 Restaurants», sagt Prosper Filipe. Das Angebot sei allerdings «sehr unterschiedlich». Bei manchen Betrieben sei nur das Fleisch bio, bei anderen das Gemüse, nur bei einigen wenigen wirklich alles.
Bio ist teurer
In den Schweizer Kantinen und Spitälern ist es fast unmögich, überhaupt einen Bioanteil nachzuweisen. Der Agraringenieur Alfred Bänninger hat im Auftrag des Kompetenzzentrums der Kantone für die Landwirtschaft (Agridea) die Lebensmitteleinkäufe von acht Altersheimen und zwei Spitälern im Raum Zürich analysiert.
Mit Ausnahme eines Betriebes betrug der Anteil an Bio-Lebensmitteln nur eines bis drei Prozent. Das Problem, so Bänniger: Bio-Lebensmittel «sind teurer als konventionelle».
Wieviel Bio pro Teller kostet, hat die Agridea in einer separaten Studie analysiert. Es wurden die Warenkosten von zwei identischen Menüs verglichen: Tomatensalat, Entrecote und Fruchtsalat, mal in Bio Schweiz-Qualität, mal aus konventionellem Schweizer Anbau. Ergebnis: Das Bio-Menü kostet acht Franken mehr. In der Gastronomie multipliziert man die Warenkosten mal drei, um den Preis für den Gast festzulegen. Demnach würde ein Bio-Menü im Lokal also stolze 24 Franken mehr kosten.
Ist Bio also zu teuer für ein Lokal? David Herrmann von Bio Schweiz widerspricht. Die Gastronomen müssten lediglich Speisekarte und Einkaufsgewohnheiten verändern. «Eine kleine Karte mit saisonalen Gerichten aus lokalen Rohprodukten, weniger und dafür besseres Fleisch», schlägt Herrmann vor.
Hansjürg Huber (50) hat es vorgemacht. Er ist Leiter der Rosenau in Egg ZH, einem Wohnheim für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Vor einem Jahr hat er das Küchenbudget aufgestockt. Die Küchenbrigade verarbeitet nun zu 40 Prozent Bio-Lebensmittel. «Die Umstellung ist aufwändig», gibt Huber zu. Nicht nur seien die Produkte teurer, es entstünden auch mehr Rüstarbeit und Abfall und wegen geringerer Haltbarkeit müssten Produkte schneller verarbeitet werden. Ausserdem müsse man sich Zeit nehmen, passende Lieferanten zu finden.
Entweder Fleisch, oder Bio
Trotz des Aufwands geht für den Rosenau-Leiter Huber die Rechnung auf. Das Bio-Gütesiegel sei eine Top-Werbung. «So können wir glaubwürdig sagen, dass wir eine gesunde Küche anbieten.» Und dass er Früchte wie Erdbeeren nur noch saisonal anbiete, schätze die Kundschaft sogar. Wenn es Erdbeeren nur im Sommer gibt, schmecken sie anscheinend besser. Bei aller Mühe schafft es Hansjürg Huber nicht, Fleisch in Bio Qualität anzubieten. «Bio-Fleisch ist noch zu teuer», sagt Huber. «Damit wir zukünftig auch Fleisch in Bio-Qualität anbieten können, müssten wir das Budget weiter aufstocken» – um geschätzt einen Drittel. Es wird auch mehr Vegi-Tage geben. Für Restaurants, die hauptsächlich Fleisch anbieten, ist die Umstellung auf Bio-Lebensmittel also eine Herausforderung.
Wenn ein Restaurant auf Fleisch verzichtet, ist der Erfolg wahrscheinlicher. Bestes Beispiel ist das Bio-Restaurant Bliss in Freiburg. Tim Condon (30) und Cristina Bürgi (29) haben es gemeinsam mit Lisa und Prosper Filipe eröffnet. Tim und Cristina betreiben es heute allein und können davon leben, sagen sie. Gäste aus den umliegenden Büros können mittags für 15 bis 25 Franken pro Teller essen. Das Menü, 100 Prozent Bio und vegan, sei auch deswegen preiswert, weil Tim und Cristina kein Fleisch anbieten, das in Bio-Qualität der teuerste Posten eines Menüs ist.
Maximal 20 Gäste finden im Bliss Platz, der Bruder und Freunde helfen mit. Die Filipes sind überzeugt, dass auch für andere Betriebe mehr Bio anbieten könnten. Entscheidend sei, wie der Gast das Angebot beurteilt. «Wenn er den Preis für ein Gericht als zu hoch empfindet, kommt er nicht mehr», sagt Prosper.
In der Gastronomie fehlt das BioBeim Blick Live Quiz spielst du dienstags und donnerstags (ab 19.30 Uhr) um bis zu 1'000 Franken aus dem Jackpot. Mitmachen ist ganz einfach. Du brauchst dazu lediglich ein iPhone oder ein Android-Handy.
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