Ein Jahr nach Lucys (†12) Tod fordert ihre Mutter mehr Sicherheit
«Cobras sind zu gefährlich – man muss endlich etwas tun»

Die Trauer überwog bei Carole Hobbs alles, als ihre kleine Lucy (†12) unter einem Cobra-Tram eingeklemmt wurde und starb. Heute weicht die Trauer der Wut. Sie fordert endlich mehr Sicherheit. Sicherheit, die von den Verkehrsbetrieben versprochen wurde.
Publiziert: 11.06.2018 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:19 Uhr
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Am 3. Juli starb etwa die kleine Lucy (†12), als sie von einem Cobra-Tram angefahren wurde. Sie geriet unters Tram und starb.
Foto: zVg
Flavio Razzino

Grausamer Tram-Tod! Im Juli 2017 wird die kleine Lucy (†12) in Wallisellen ZH von einem Cobra-Tram erfasst. Sie gerät vorne unter das Fahrzeug und wird erdrückt. Sie hat keine Chance.

Fast ein Jahr ist seither vergangen, der Schmerz bei den Hinterbliebenen sitzt bis heute tief. Bei Lucys Mutter Carole Hobbs (48) weicht er aber mehr und mehr der Wut. Denn würde sie den Verantwortlichen der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) glauben, hätte der Unfall gar nicht passieren können. Laut VBZ sind Niederflurtrams wie die Cobra nämlich so gebaut worden, dass Fussgänger und Velofahrer bei einer Kollision wegspicken und nicht überrollt werden.

Das versprachen sie jedenfalls 2009. Damals kam die Diskussion über die Fussgängersicherheit der modernen Niederflurtrams auf, weil Schutzvorrichtungen wie das Fallgatter fehlen.

Menschen werden aufgeschaufelt, statt überrollt

Ältere Hochflurtrams wie das Tram 2000 in Zürich hatten noch ein solches Fallgatter vorne an der Front. Dieses fällt vor die Räder, sobald ein Mensch unters Tram gerät. Wie eine Kelle schaufelt das Fallgatter dann die verunfallte Person auf.

VBZ-Sprecherin Daniela Tobler behauptete damals im «Tages-Anzeiger»: «Bei einer Cobra ist es gar nicht möglich, dass eine Person, die frontal erfasst wird, unter die Tramräder gerät.» So tönte es auch für die Niederflurtrams in Basel: «Technisch ist es gar nicht möglich, dass jemand unter das Tram gerät», sagte Dagmar Jenny von den Basler Verkehrsbetrieben 2010 im «Bund».

Lucys Tod und viele Unfälle in beiden Städten beweisen aber: Das Versprechen können sie nicht halten!

Schwarze Bilanz der Niederflurtrams

20. April 2018: Ein Velofahrer (†65) stirbt in Zürich Altstetten nach einem Crash mit einem Cobra-Tram. Er wurde von der Strassenbahn erdrückt, jede Hilfe kam zu spät. 

7. Februar 2018: Ein Kind (6) wird in Basel von einem Combino-Niederflurtram überrollt. Das Fahrzeug musste aufgebockt werden, um das Kind befreien. Der Bub musste mit schwersten Verletzungen ins Spital.

3. Juli 2017: Die kleine Lucy (†12) ist mit dem Velo auf dem Heimweg. Vor der Haltestelle Neugut wird sie von einem Cobra-Tram erfasst. Sie gerät unters Tram, hat keine Chance und erliegt vor Ort ihren schweren Verletzungen.

21. März 2017: Ein Bub (10) wird in Muttenz BL von einem Combino-Tram überrollt und dabei schwer verletzt. Rettungskräfte mussten das Tram anheben, um den verletzten Jungen bergen zu können.

30. September 2016: Ein Velofahrer (†54) wird von einem Cobra-Tram im Kreis 11 erdrückt. Die Rettungskräfte mussten das Tram mit Luftkissen anheben, weil der Körper im «Überlebensraum» eingeklemmt war. (fr)

20. April 2018: Ein Velofahrer (†65) stirbt in Zürich Altstetten nach einem Crash mit einem Cobra-Tram. Er wurde von der Strassenbahn erdrückt, jede Hilfe kam zu spät. 

7. Februar 2018: Ein Kind (6) wird in Basel von einem Combino-Niederflurtram überrollt. Das Fahrzeug musste aufgebockt werden, um das Kind befreien. Der Bub musste mit schwersten Verletzungen ins Spital.

3. Juli 2017: Die kleine Lucy (†12) ist mit dem Velo auf dem Heimweg. Vor der Haltestelle Neugut wird sie von einem Cobra-Tram erfasst. Sie gerät unters Tram, hat keine Chance und erliegt vor Ort ihren schweren Verletzungen.

21. März 2017: Ein Bub (10) wird in Muttenz BL von einem Combino-Tram überrollt und dabei schwer verletzt. Rettungskräfte mussten das Tram anheben, um den verletzten Jungen bergen zu können.

30. September 2016: Ein Velofahrer (†54) wird von einem Cobra-Tram im Kreis 11 erdrückt. Die Rettungskräfte mussten das Tram mit Luftkissen anheben, weil der Körper im «Überlebensraum» eingeklemmt war. (fr)

Mutter von Todesopfer: «Cobra-Trams sind zu gefährlich»

Würde Lucy also noch leben, wenn die Cobra-Trams dank Fallgatter sicherer gebaut wären? Ihre Mutter ist überzeugt davon: «Die Cobras sind einfach zu gefährlich – man muss endlich etwas tun, damit Menschen nicht mehr einfach so unter dem Tram sterben!»

Die VBZ hält Fallgatter aber für überholt: «Sie stellen eine veraltete Technik dar, die bei Hochflur-Fahrzeugen notwendig waren», sagt Sprecher Thomas Rieser zu BLICK.

Bei Niederflurtrams seien die Räder weiter hinten. «Diese Trams verfügen dadurch über einen Überlebensraum, der so ausgestaltet ist, dass man nicht von den Rädern überrollt werden kann.»

Unfälle in Zürich als auch in Basel zeigen jedoch: Dieser «Überlebensraum» wird bei einer Kollision schnell zur Todesfalle.

Die Verkehrsbetriebe schieben die Verantwortung in solchen Fällen aber sofort den Passanten zu. Der Vorwurf, den sich auch Lucys Mutter anhören musste: Fussgänger seien zu wenig aufmerksam.

VBZ fehlt Statistik

Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) beharren auf der Sicherheit der Niederflurtrams. «Sämtliche Untersuchungen zeigen, dass die fehlenden Fallgatter die Niederflurtrams nicht gefährlicher als das Tram 2000 machen», so Sprecher Thomas Rieser.

Nur: Die VBZ wollen gar nicht wissen, ob Cobra-Trams gefährlicher sind als das Tram2000 mit den Fallgattern. «Die VBZ erheben die Unfallzahlen nicht differenziert nach Tramtyp und auch nicht danach, ob es eine Kollision gab oder jemand unters Tram geriet», sagt Rieser. Grund: «Es ist angesichts beschränkter Ressourcen nicht möglich, unbegrenzte Kategorien zu erstellen.» Auch die Basler Verkehrsbetriebe erheben keine genaue Unfallstatistik.

Seit 2011 gab es alleine in Zürich rund 20 tödliche Tram-Unfälle mit Fussgängern. Nicht immer sind diese dabei unters Tram geraten. Bereits der Zusammenprall  kann tödliche Verletzungen verursachen. fr

Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) beharren auf der Sicherheit der Niederflurtrams. «Sämtliche Untersuchungen zeigen, dass die fehlenden Fallgatter die Niederflurtrams nicht gefährlicher als das Tram 2000 machen», so Sprecher Thomas Rieser.

Nur: Die VBZ wollen gar nicht wissen, ob Cobra-Trams gefährlicher sind als das Tram2000 mit den Fallgattern. «Die VBZ erheben die Unfallzahlen nicht differenziert nach Tramtyp und auch nicht danach, ob es eine Kollision gab oder jemand unters Tram geriet», sagt Rieser. Grund: «Es ist angesichts beschränkter Ressourcen nicht möglich, unbegrenzte Kategorien zu erstellen.» Auch die Basler Verkehrsbetriebe erheben keine genaue Unfallstatistik.

Seit 2011 gab es alleine in Zürich rund 20 tödliche Tram-Unfälle mit Fussgängern. Nicht immer sind diese dabei unters Tram geraten. Bereits der Zusammenprall  kann tödliche Verletzungen verursachen. fr

Politiker machen Druck

Hobbs kontert: «Meine kleine Lucy ist nicht gestorben, weil das Tram in hohem Tempo in sie reingefahren ist, sondern weil sie bei Schritttempo unters Tram gezogen wurde und keine Chance mehr hatte, da rauszukommen!»

Nationalrat Bastien Girod hatte schon 2009 auf die Gefahr von Niederflurtrams hingewiesen. In einem Postulat hatte er den Bundesrat aufgefordert, die Sicherheit dieser Trams zu erhöhen. Vergebens. Jetzt sagt er zu BLICK: «Auch mit Fallgattern passieren schwere Unfälle – doch sie vermindern das Risiko, von einem Tram erdrückt zu werden, ganz enorm.»

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