Sie waren kämpferisch, sie waren laut und bunt. Und sie waren viele: die Demontrantinnen, die am Frauenstreik 2019 durch die Strassen zogen, um Gleichberechtigung zu fordern.
Kommenden Sonntag jährt sich der Aktionstag zum ersten Mal. Und der neue Bildband «Wir» lässt die Erinnerungen daran aufleben. Auf Initiative der Berner Fotografin Yoshiko Kusano zeigen 32 Fotografinnen viele Geschichten und Gesichter des vergangenen 14. Juni: «Unser Ziel war es, den Streik möglichst aus allen Ecken der Schweiz zu dokumentieren – und damit nicht nur die Frauen, sondern auch uns Fotografinnen sichtbar zu machen.»
Mit vier der im Buch porträtierten Frauen hat SonntagsBlick nun gesprochen und sie unter anderem um ein Fazit gebeten.
Frauen werden noch immer diskriminiert
Auch von den Frauenstreik-Kollektiven wollten wir wissen: Hat sich seit dem Streik etwas verändert? Die Antwort: ja und nein. Nein, weil Frauen noch immer diskriminiert, belästigt und schlechter bezahlt werden. Und weil Veränderungen auf institutionalisierter Ebene zu langsam vorankommen. Ja, weil der Streik der feministischen Bewegung einen Schub verliehen habe. «Sie ist heute viel breiter und besser vernetzt», sagt Natalie von Tscharner vom Basler Kollektiv. Und Lirija Sejdi vom Berner Kollektiv ergänzt: «Die Frauenbewegung wird heute als Akteur wahrgenommen.»
Anne Challandes, Präsidentin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, zieht ebenfalls eine positive Bilanz. «Wir Bäuerinnen haben uns durch den Frauenstreik Gehör verschafft», sagt sie. Seitdem sei auch innerhalb der Landwirtschaft viel debattiert worden – mit Erfolg. Der Bauernverband habe mittlerweile seine Meinung über die geforderte soziale Absicherung für Bäuerinnen geändert und sich dafür ausgesprochen.
Streik hat Energien freigesetzt
Auch unter den Kirchenfrauen hat der Streik Energien freigesetzt, sagt Karin Ottiger, Co-Präsidentin des Katholischen Frauenbunds. «Und wir wurden erstmalig von der Bischofskonferenz eingeladen, um gemeinsam zu diskutieren, wie wir zu einer grösseren Teilhabe und Gleichberechtigung der Frauen gelangen», freut sie sich.
Aude Spang, Frauen- und Jugendsekretärin bei der Gewerkschaft Unia, ist kritischer, was die Errungenschaften des Streiks angeht. «Für die Frauen hat sich kaum etwas verbessert», sagt sie. Die Situation vieler habe sich durch die Corona-Krise noch verschlechtert. Darum fordert Spang mehr als nur Applaus für die Arbeit der Frauen im Detailhandel, in der Pflege, Reinigung und Kinderbetreuung. «Wenn die Frauen systemrelevant sind, sollten sie auch so behandelt werden.» Dabei dürften insbesondere Migrantinnen und nicht weisse Frauen, die von prekären Arbeitsbedingungen am häufigsten betroffen seien, nicht vergessen werden.
«Wir werden uns protesthaft erholen»
Auch die Frauenstreik-Kollektive sind noch lange nicht zufrieden. Und werden darum am 14. Juni erneut auf sich aufmerksam machen. Geplant sind etwa Infostände, Velodemos, Picknicks und feministische Postenläufe. Oder demonstratives Nichtstun. «Wir werden uns unter dem Motto ‹Queer-Stellen und Fraulenzen› protesthaft von unserer unbezahlten und bezahlten Care-Arbeit erholen», sagt Natalie von Tscharner.
Den ganz grossen Streik wird es dieses Jahr aber nicht geben. Wegen Corona. Und weil die Frauen Kraft sammeln für das kommende Jahr. Dann nämlich fallen die beiden Jubiläen des ersten Frauenstreiks von 1991 und der Einführung des Frauenstimmrechts zusammen. Für die Frauen steht daher jetzt schon fest: Auf den Schweizer Strassen soll es erneut kämpferisch, laut und bunt werden.
Sarah Messerli (40), Heilpädagogin, Bern
Fotografin: Christine Strub
«Im Moment auf dem Foto suchte ich gerade nach meiner Mutter, die sich unter die vielen Frauen auf dem Bundesplatz gemischt hatte. Ich wollte die Bundesrätinnen, die in diesem Augenblick aus dem Bundeshaus kamen, unbedingt gemeinsam mit ihr empfangen. Denn ohne den Kampf der Frauen ihrer Generation hätten wir noch heute keine Bundesrätinnen.
Dann entdeckte ich meine Mutter vom Tisch aus, auf dem ich stand, in dieser riesigen Menge von Frauen – und war so stolz auf uns alle. Die Veränderungen kommen nur langsam, aber wir haben einen langen Atem. Und dank des Frauenstreiks bin ich neu motiviert und besser vernetzt. Ich fühle mich nicht mehr allein in diesem Kampf.»
Xenia Veraguth (18), Gymnasiastin, Basel
Fotografin: Eleni Kougionis
«Während Männer im Theater die Helden spielen, stecken Frauen häufig in der Opferrolle. In vielen Stücken müssen die jungen Frauen am Ende sterben. Auf diesem Bild verkörpere ich eine dieser Frauen. Auf meinem Schild stehen der Name und die Todesursache der Figur.
Ich stand ganz still vor dem Theater Basel, totenblass geschminkt und starrte ins Leere. Das hat die Leute sehr berührt – vielen war das mit den Frauenrollen nämlich gar nicht bewusst. Auch mich selbst hat es mitgenommen. Teilweise sind mir die Tränen runtergelaufen. Mit unserer Aktion wollten wir zeigen: Die Frauen in den Theaterstücken hätten es auch verdient, Heldinnen zu sein.»
Camille Golay (36), Unia-Verantwortliche Uhrenindustrie, Vallée de Joux
Fotografin: Yoshiko Kusano
«Angefeuert und ermutigt von den Aktivistinnen hinter mir gehe ich hier in meinem Kopf noch einmal meine Rede für den Streik im Vallée de Joux durch. Ich bin sehr dankbar, dass ich als Teil meines Jobs den Frauenstreik in dieser symbolträchtigen Region mitorganisieren durfte. In dieser Zeit habe ich sehr vieles gelernt über mich als Frau – und ich habe viele aussergewöhnliche Frauen kennengelernt, die mich sehr inspiriert haben.
Der 14. Juni war ein unglaublicher Tag. Auch jetzt habe ich noch Tränen in den Augen, wenn ich daran denke. Trotzdem ist mir bewusst, dass unsere Kämpfe noch lange nicht ausgetragen sind. Aber wir lassen uns nicht entmutigen. Ich wünsche mir echte Gleichberechtigung!»
Julia Barmettler (32), Konservatorin und Archivarin, Bern
Fotografin: Monika Flückiger
«Als streikende Helvetia war ich ein beliebtes Fotomotiv und stets darum bemüht, mit ernster Miene abgelichtet zu werden. Aber als dieses Foto entstand, hat mein Transparent wegen einer Windböe so geflattert, dass ich lachen musste.
Auch wenn mich das zuerst etwas ärgerte – schliesslich sollte Helvetia wütend und fordernd aussehen –, finde ich, dass das Lachen und der schöne Schwung der Fahne zur Frauenbewegung passen. Sie spiegeln die Originalität und Energie unseres Protests wider.
Ich habe vorher noch nie so viele Frauen gesehen! Das hat mir bewusst gemacht, wie unsichtbar wir sonst sind. Unsere Leistungen müssen unbedingt anerkannt, unsere Meinungen eingeholt und unsere Anliegen gehört werden!»
Margaux Burkhardt, 23, Angestellte in der Gastronomie, Lausanne
Fotografin: Francesca Palazzi
«Dieses Foto ist während der Demonstration am 14. Juni entstanden. Die Fotografin Francesca Palazzi hat uns netterweise gefragt, ob sie ein Foto von uns machen darf, um diesen Moment unsterblich zu machen. Ich war zusammen mit meinen Freundinnen am Streik, um gemeinsam für unsere Rechte einzustehen.
Seither hat sich aber leider nichts verändert für mich – ich bekomme noch immer weniger Lohn als meine männlichen Kollegen für die gleiche Arbeit. Es gibt ganz offensichtlich noch viel zu kämpfen, bis wir die Gleichstellung erreicht haben. Es ist schwer in Worte zu fassen, was ich mir alles wünsche für die Frauen, weil es so viele Dinge sind. Aber vielleicht könnte man es so zusammenfassen: Ich möchte ganz einfach, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben.»
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