Ehemaliger Bundesanwalt
Ex-Sonderermittler übt scharfe Kritik an Schweizer Justiz

Der ausserordentliche Bundesanwalt Stefan Keller hat nach seinem Rücktritt im Mai wegen eines Urteils scharfe Kritik an Teilen der Schweizer Justiz geäussert. Er warf dem Bundesstrafgericht und der Bundesanwaltschaft in einem Interview vor, ihn desavouiert zu haben.
Publiziert: 09.08.2021 um 01:56 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2021 um 11:11 Uhr
War vorübergehend ausserordentlicher Bundesanwalt: Stefan Keller, Präsident des Ober- und Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden. (Archivbild)
Foto: URS FLUEELER

Das Bundesstrafgericht habe ihn mit einem nicht anfechtbaren Urteil zur Ermittlung in der Fifa-Affäre gegen den Fifa-Präsidenten Gianni Infantino gezielt aus dem Spiel genommen, sagte Keller der «Neuen Zürcher Zeitung» (Montagausgabe). Er warf der dreiköpfigen Richterbank Parteilichkeit vor. So machte er geltend, zwei der drei Mitglieder des verantwortlichen Richterkollegiums gehörten wie Infantinos Verteidiger der Zürcher SVP an.

Die Interessen, ihn «kaltzustellen» seien auf der Hand gelegen, erklärte Keller, da seine Untersuchungen auch Richterpersonen in Bellinzona TI betroffen hätten. Dabei stünden für die Mitglieder des Bundesstrafgerichts im Herbst die Wiederwahl im Parlament an. «Nachdem das Gericht aufgrund zahlreicher Vorfälle immer wieder im Zentrum medialer Kritik gestanden ist und steht, wäre neuer Ärger brandgefährlich gewesen.»

Auch die Bundesanwaltschaft - also die Behörde, für die er tätig war - griff Keller an. Wichtige Akten seien ihm bis am Schluss seiner Tätigkeit nicht vorgelegt worden, sagte er. «Die Behinderung des ausserordentlichen Bundesanwalts hatte wohl System und lässt vermuten, dass die Bundesanwaltschaft (noch) nicht gewillt ist, die vergangenen Jahre aufzuarbeiten.»

Vom Bundesstrafgericht wie auch von der Bundesanwaltschaft lagen zu Kellers Vorwürfen zunächst keine Stellungnahmen vor.

Der Präsident des Ober- und Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden plädierte dafür, dass auch im bundesrechtlichen Strafverfahren Ausstandsentscheide und andere Entscheide der Beschwerdekammer in Bellinzona ans Bundesgericht in Lausanne weitergezogen werden können. Dies sei schliesslich in allen kantonalen Verfahren der Fall.

Für die nahe Zukunft im Fifa-Fall äusserte sich Keller wenig optimistisch. Ein solches Verfahren könne ohne eine unabhängig funktionierende Beschwerdeinstanz nicht erfolgreich zu Ende gebracht werden. Dafür müssten seiner Meinung nach kurzfristig in Bellinzona personelle Wechsel oder Rochaden erfolgen. Zudem blieben auch die Hindernisse in der Bundesanwaltschaft bestehen, solange kein neuer Bundesanwalt gewählt werde, der aufzuräumen bereit sei.

Keller war als erster ausserordentlicher Bundesanwalt im September vom Parlament beauftragt worden, informelle und nicht protokollierte Treffen von Ex-Bundesanwalt Michael Lauber und dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino zu untersuchen. Die Fifa hatte Zweifel an Kellers Qualifikation angemeldet und gelangte mit mehreren Beschwerden ans Bundesstrafgericht. Keller habe mit seinem Verhalten nicht einmal juristischen Basisstandards genügt.

Anfang Mai wurde ein Entscheid der Beschwerdekammer am Bundesstrafgericht bekannt, wonach Keller gegenüber Infantino befangen sei. Das Gericht warf Keller unter anderem eine verfehlte Kommunikationspolitik vor. In der Folge legte Keller sein Mandat nieder. Er erklärte, aufgrund der personellen Besetzung der zuständigen Beschwerdekammer sehe er sich ausserstande, seine Ermittlungen fortzusetzen.

Die Nachfolge sowohl für die Spitze der Bundesanwaltschaft nach dem Rücktritt von Michael Lauber vor einem Jahr wie auch für die Position eines ausserordentlichen Bundesanwalts zu den Fifa-Ermittlungen sind weiterhin pendent. (SDA)

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