Eckart von Hirschhausen zum Welttag des Glücks
«Glück kann man lernen»

Eckart von Hirschhausen über seine Rezepte für gute Laune.
Publiziert: 20.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 18:21 Uhr
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Eckart Hischhausen: «Wer glücklich ist, hat Erfolg!»
Foto: Ulrich Baumgarten
Interview: Christiane Binder

BLICK: Wann waren Sie zuletzt unglücklich?
Eckart von Hirschhausen:
Gestern. Weil ich gestresst versucht habe, drei Dinge gleichzeitig zu tun. Das ist normal. Als Arzt und Glücksexperte bin ich ja nicht dauergesund und überglücklich. Was ich durch Wissen und Übung aber kann: schneller gegensteuern, wenn ich unzufrieden bin.

Wie machen Sie das?
Oft sind es ja banale Dinge, die uns gar nicht bewusst sind. Wer auf Diät ist, ist unterzuckert und schlecht drauf. Ehe man die miese Laune selber merkt, haben sie schon alle anderen mitbekommen. Ein Beispiel aus meinem Buch «Glück kommt selten allein»: der Fünf-Finger-Fragen-Launen-Check. Wann habe ich zuletzt etwas gegessen? Mich unter freiem Himmel bewegt? Wann geschlafen? Mit wem und warum? Damit sind die grossen Quellen der Übellaunigkeit in fünf Sekunden sortiert und man kann etwas unternehmen. Oder schauen, wer schuld ist (lacht).

Warum fühlen sich dann auch so viele Satte, Ausgeschlafene oder Jogger unglücklich?
Glück ist biologisch abbaubar, um Platz zu schaffen für Neues. Dauerglück wäre unproduktiv und ist von der Evolution nicht vorgesehen. Deshalb darf man nie von Dingen erwarten, dass sie uns beglücken. Viel besser funktioniert, sich weiterzuentwickeln, dazuzulernen, sich für andere einzusetzen. All die Dinge, die im Kapitalismus nichts wert sind, sind die wertvollsten. Was ist der Unterschied zwischen einem Mann mit sieben Kindern und einem mit sieben Millionen? Der mit den Millionen will weitere!

Die Schweizer gelten als eher missgelaunt. Dafür fahren die Züge pünktlich. Ist das Fehlen von Glück der Preis für Effizienz?
Die Schweiz ist glückstechnisch den Deutschen immer voraus. Gut, dazu gehört nicht so viel, was nicht nur an der Bahn liegt (lacht). Aber Effizienz ist kein Selbstzweck, Erfolg macht nicht glücklich. Sondern: Wer glücklich ist, hat Erfolg! Wir stecken mental oft noch in der Ideologie des Industriezeitalters: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!

Die meisten Menschen heute arbeiten aber mit ihrem Kopf und nicht mit ihrem Körper. Wer dabei kein Vergnügen hat, macht etwas falsch. Denn das Hirn funktioniert am effizientesten, wenn es Freude hat, herumprobiert und spinnt.

In Statistiken stehen arme Länder wie Bangladesch oben auf der Glücksskala, die Schweiz weit unten. Muss man zum Glücklichsein arm sein?
Das soll nicht zynisch klingen, aber in Bangladesch ist die Armut gleichmässiger verteilt. Der Mensch vergleicht sich ja immer mit den Menschen um sich herum. Der Bettler sieht nicht neidisch auf den Mil­lionär, sondern auf den anderen Bettler, der ein bisschen mehr hat. Genauso wie Silbermedaillengewinner unzufriedener sind als Bronzemedaillengewinner. Denn Silber denkt: Ich hätte Gold haben können. Und Bronze denkt: Schön, dass ich überhaupt eine Medaille habe. Auch in der Schweiz verhindert Neid die Einsicht, in einem sehr, sehr reichen Land zu leben.

Wären die Schweizer also glücklicher, wenn es weniger Reiche gäbe?
Die Verteilung des Wohlstands ist entscheidend für die Zufriedenheit in einer Gesellschaft. Also: Umverteilen, Demokratie mit viel Bürgerbeteiligung, Chancengerechtigkeit – das sind nachgewiesene Glücksrezepte für die Politik. Glück ist ansteckend. Es geht allen besser, wenn es vielen besser geht.

Sie sagen: «Wir sind schlecht darin, zufrieden zu sein.» Wie werden wir besser?
Es ist wissenschaftlich klar belegt, dass man Glück lernen kann. Dazu muss man aber seine Gedanken kennenlernen. Sich zum Beispiel fragen: Mit wem vergleiche ich mich? Die Glücksforschung bestätigt viel von dem, was Jesus oder der Dalai Lama gesagt haben: Wir können achtsamer werden, indem wir beurteilen, was uns passiert.

Wie beschreiben Sie als Mediziner das Glück?
Glück ist die Zeit, in der man die Zeit vergisst. In der Psychologie heisst dies Flow: Man geht in etwas auf, ohne unterzugehen. Die Welt ist verstehbar. Der Körper spielt mit, kein Stress, keine Schmerzen, keine Sucht. Glück ist gesund! Bevor man Medikamente verschreibt, sollte man Glück verordnen. Tanzen, Singen, sozialer Kontakt halten jung und schützen Herz und Hirn gegen Infarkte und Alzheimer.

Braucht man zum Glück nicht auch die Veranlagung, ein Glücks-Gen?
Genetik spielt eine Rolle. Aber sie ist kein Schicksal. Sie ist eher wie Karten, die man zugeteilt bekommen hat, mit denen man gut oder schlecht pokern kann.

Aber was, wenn man ganz schlechte Karten bekommen hat?
Auch dann hilft aktives Gestalten seines Lebens und ein heiteres gelassenes Beobachten unserer negativen Gedankenmuster. Wir lernen Glück durch Freunde und Sinn. Wer sich für andere engagiert, lebt länger als jemand, der sich nur um sich selbst kümmert. Und leben Sie in der Gegenwart! Der einzige Moment, in dem ich wissen kann, wie glücklich ich bin, ist jetzt. Es ist nicht immer toll, aber es gibt nichts Besseres!

Hilft Sport?
Körperliche Bewegung ist eines der besten natürlichen Antidepressiva. Lieber einen Waldlauf machen als darüber zu brüten, ob früher nicht alles schöner war, oder Dinge zu befürchten, die wahrscheinlich nie eintreten. Die Natur ist ein grossartiges Umfeld zur Entspannung.

Machen auch Schokolade oder autogenes Training glücklich?
Wenn ich mit meinem Tourprogramm «Wunderheiler» in der Schweiz gastiere, nehme ich jedes Mal mindestens ein Kilo bester Schokolade mit und freue mich an jedem Stück. Innere Leere stopft man aber nicht mit Essen. Übergewicht hängt mehr mit seelischen Faktoren zusammen als damit, dass man nicht wüsste, wo Kalorien drin sind. Besser als autogenes Training ist Achtsamkeitsmeditation, wo auch Yoga-Elemente mit Gedanken- und Atemübungen kombiniert werden. Jeder weiss, wie er sich aufregt. Jeder kann lernen, sich abzuregen.

Sind Sie glücklich?
Momentan ziemlich. Das, was ich in meinen Büchern beschreibe, habe ich an mir selbst getestet und erlebt. Ich kenne mein Element, und ich umgebe mich mit Menschen, die mir guttun. Und meine Stiftung «Humor hilft heilen» macht in Deutschland das, was in der Schweiz die Stiftung Theodora macht: mit Clowns und Workshops heilsame Stimmung im Spital verbreiten.

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