Das Weinjahr 2016 begann schlecht, mit Dauerregen im Mai und Juni. Und doch bringen die meisten Winzer einen ansehnlichen Jahrgang ein. Damit das so ist, greifen viele Weinbauern auf chemische Helfer zurück: Sie düngen den Boden mit synthetischen Stoffen, spritzen Laub und Trauben mit Mitteln gegen die Ausbreitung von schädlichen Insekten und Schimmelpilzen.
Das Problem: Am Ende landen Spuren dieser Chemikalien im Wein. Das zeigt eine aktuelle Studie von Greenpeace. Die Umweltorganisation nahm Bodenproben in Weinbergen, untersuchte Trauben und Weine in bekannten Schweizer Weinbauregionen: Bündner Herrschaft, Hallau, Bieler Seeland, Genferseeregion, Wallis und Tessin.
Rückstände von Pestiziden
Das Resultat ist alarmierend: In allen konventionell hergestellten Weinen fanden sich Rückstände von Pestiziden. In sieben von acht Weinen zum Beispiel fanden sich Spuren des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat, der unter dem Verdacht steht, krebserregend zu sein. Am stärksten belastet waren Weine aus dem Tessin, dem Bündnerland und dem Kanton Schaffhausen. In den Proben fanden die Experten auch zwei Wirkstoffe, die wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung in der EU nicht zugelassen sind. «Die beiden Stoffe stehen im Verdacht, bei Menschen reproduktionstoxisch und mutagen zu wirken», sagt Philippe Schenkel (42), Leiter der Landwirtschaftskampagne von Greenpeace Schweiz und Verfasser der Studie.
«DDT ist seit 1972 in der Schweiz verboten»
Bei der Untersuchung stiess er auf einen Cocktail von insgesamt 33 Pestiziden. Darunter befanden sich Substanzen, die im Schweizer Weinbau gar nicht zugelassen sind, etwa das Umweltgift DDT. «DDT ist seit 1972 in der Schweiz verboten, liess sich aber noch in zwei Weinbergen nachweisen», so Schenkel. Dies zeige, wie lange es dauern kann, bis giftige Stoffe abgebaut werden.
In der Schweizer Landwirtschaft werden pro Jahr über 2000 Tonnen Pestizide ausgetragen. Die Schweiz nimmt damit im Verhältnis zu ihrer Anbaufläche weltweit einen Spitzenplatz ein. Das Gift in der Landwirtschaft ist nicht nur ein Problem für die Gesundheit der Menschen: Es tötet auch viele Nützlinge wie Bienen und gelangt über das Regenwasser in Bäche und Seen, belastet damit das Trinkwasser und greift die dortigen Lebewesen an.
Der Bund will deshalb mit dem Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutzmittel die Menge der Pestizide in den nächsten Jahren um zwölf Prozent senken. Bis Ende Oktober läuft die Anhörung. Verbände wie Greenpeace fordern neben einem Verbot der Pestizide einen grundsätzlichen Wandel in der Agrarpolitik.
«In 30 Jahren werden alle Weinbauern nach Bio-Standard produzieren»
Diesen hat der Zürcher Bio-Weinbauer Markus Weber (48) aus Meilen ZH bereits vollzogen: Seit 17 Jahren produziert er am Zürichsee Weine nach Bio-Standard. Seine Reben darf er nur mit Kupfer und Schwefel behandeln. Und er wählt Weinsorten, die sich besser mit dem feucht-kühlen Klima der Deutschschweiz vertragen. Er glaubt: «In 30 Jahren werden alle Weinbauern nach Bio-Standard produzieren.»
Robin Haug (30) vom Branchenverband Deutschschweizer Wein produziert konventionellen Wein und kennt die Greenpeace-Studie. Er hält dagegen: «Die Pestizidrückstände im Wein sind verschwindend gering.» Ohne Chemie sei Landwirtschaft in der Schweiz nicht möglich. Trotzdem wolle man deren Einsatz reduzieren. Zum Beispiel mit neuen, resistenteren Weinsorten. «Aber das braucht Zeit und die Akzeptanz der Konsumenten für neue Weinsorten.»