Nach jedem Verbrechen beginnt die Arbeit für Ermittler und Forensiker. Gezielt suchen sie am Tatort nach Spuren, achten auf jedes noch so kleine Detail – und auf beinahe unsichtbare genetische Abdrücke.
Die Ermittler wissen: Viele Verbrecher lassen am Tatort nicht nur ein, sondern zwei DNA-Profile zurück – das eigene und das ihres Haustiers. Darum werden Hunde und Katzen immer wichtiger für die Aufklärung von Verbrechen.
In einem Pilotprojekt setzt die Rechtsmedizin der Universität Zürich nun auf die Genotypisierung von Hunden. «Hundehaare, die an einem Tatort gefunden werden, können so auf den Hund eines Verdächtigen zurückgeführt werden», sagt Nadja Morf (35), die zuständige Biologin.
Unterstützung bekommen die Zürcher Rechtsmediziner aus Innsbruck (A). Dort ist Molekularbiologe Prof. Walther Parson (50) vom Institut für Gerichtliche Medizin führend auf dem Gebiet des sogenannten «Canine DNA Profiling».
«Hundehaare können einen Tierhalter ohne weiteres als Täter überführen», sagt Parson zu SonntagsBlick. «Angesichts der Tatsache, dass Menschen heute sehr engen Kontakt zu Tieren haben, ist die Chance hoch, dass am Tatort auch nicht menschliche DNA gefunden wird, die Hinweise zum Täter geben kann.»
«Wir bekommen Anfragen von Ermittlern aus vielen Ländern»
Was Kriminellen meist nicht bewusst ist: Haben sie ein Haustier, sind ihre Kleider mit Tausenden von Haaren bedeckt – die auch durch Waschen nicht verschwinden. Schon ein kleiner Partikel reicht für die Forensiker aus, um mit der Arbeit zu beginnen. «Hunde und Katzen sind oft stumme Zeugen von Verbrechen», sagt Parson.
Die Molekularbiologen in Innsbruck arbeiten daran, eine Datenbank von Hunde-DNA zu erstellen. Cadnap heisst das Forschungsprojekt, an dem sich auch die Universität Zürich beteiligt. Die DNA kann mittels Blut, Haaren, Speichel oder Urin ermittelt werden. Im Labor wird sie untersucht und mit bereits bestehender DNA abgeglichen. Professor Parson spricht von einem «Match», wenn das an einem Tatort sichergestellte DNA-Profil mit dem eines ganz bestimmten Hundes zusammenpasst.
Das Interesse an seiner Forschung ist gross. «Die DNA-Analyse von Hunden ist ein hilfreiches Zusatzinstrumt zur Aufklärung von Verbrechen», sagt Parson. «Wir bekommen Anfragen von Ermittlern aus vielen Ländern.»
Auch Nadja Morf von der Universität Zürich ist überzeugt: «Diese Methode hat Zukunft!» Bislang kam der DNA-Abgleich beispielsweise zur Anwendung, wenn ein Hund ein Reh gerissen hatte und nicht sicher war, welcher Hund es war. Doch auch bei anderen Straftaten wurde Hunde-DNA bereits ausgewertet. Möglicherweise auch im Fall Rupperswil – die Ermittler halten sich dazu bedeckt (siehe rechts).
Für Menschen führt die Polizei bereits eine Datenbank mit den DNA-Profilen von Tätern und Verdächtigen. Ob es in der Schweiz dereinst auch eine Datenbank mit Hunde-DNA geben wird, ist nach Aussagen von Biologin Morf offen: «Das ist ein politischer Entscheid.»
Führten Hundehaare auf die Spur von Thomas N.?
Am 21. Dezember 2015 wurden vier Menschen in Rupperswil AG auf grausame Weise ermordet. Lange tappte die Polizei im Dunkeln, wusste nicht, wer verantwortlich war für das Blutbad. Erst 143 Tage später konnte die Polizei den Täter festnehmen: Dabei handelt es sich um Thomas N. (33), einen Hundeliebhaber aus der Nachbarschaft der Opfer. Er hat die Tat vollumfänglich gestanden.
Bisher nicht bekannt ist, wie die Polizei dem Mörder auf die Schliche kam. Gut möglich, dass auch Hundehaare sie auf seine Spur brachten. Thomas N. pflegte ein sehr enges Verhältnis zu seinen beiden Alaskan Malamutes, auf Fotos posiert er mit den Hunden, umarmt sie, lässt sie auf seinem Bauch schlafen.
Fachleute gehen davon aus, dass der Hundenarr Haare und damit DNA seiner beiden Alaskan Malamutes am Tatort zurückliess. Die Haare dieser Tiere sind auffällig dick und rau. Schnell dürfte den Ermittlern klar gewesen sein, dass die Hunde-DNA nicht vom Hund der Opfer stammte – und damit, dass der Täter möglicherweise Hundebesitzer war. Durch eine Analyse von Hundehaar und DNA können die Ermittler den Hundetypus eingrenzen und damit gezielt nach Hündelern Ausschau halten. Bestätigen will die Staatsanwaltschaft dieses Vorgehen im Fall Rupperswil nicht. Der leitende Oberstaatsanwalt des Kantons Aargau, Philipp Umbricht (52), sagt lediglich: «Dazu gebe ich keine Auskunft.»