Die Mönche hatten genug. Der Bub hielt sich einfach nicht an die Regeln. Also schmissen sie Gieri aus der Klosterschule Disentis im Kanton Graubünden und schickten ihn nach Beromünster LU. Dort machte er dann doch noch die Matura. Er studierte Medizin, aber Arzt wollte er nicht werden. Stattdessen gründete er eine Botox-Klinik und ein Gesundheitszentrum. Und jetzt will Gieri Cathomas (44) die Schweiz durchtesten – als externer Projektleiter bei der Hirslanden-Gruppe, die den Kantonen Unterstützung bei den Massentests anbietet.
Cathomas war über 40 Mal in Russland und lebte zwei Jahre in den USA. Der Rätoromane kennt 2000 Menschen, vielleicht auch 3000. Es kommen jeden Tag neue dazu. Martina Trütsch (39) zum Beispiel, die Anfang Mai die Leitung des Gesundheits- und Sozialamts des Kantons Schwyz übernimmt. Am Freitag vor einer Woche lernte sie Cathomas kennen – fünf Tage später startete Schwyz in Zusammenarbeit mit Hirslanden regelmässige Tests in Gesundheitseinrichtungen.
«Cathomas ist ein Macher», sagt Trütsch. «Er taucht in Sneakers und Kapuzenpullover auf und erklärt seine Ideen dem Institutsleiter mit der gleichen Begeisterung wie der Reinigungskraft.»
«Gewiefter Unternehmer»
Die Hirslanden-Gruppe steht mit zehn Kantonen in Verhandlung. Und seit der Bundesrat eine Milliarde Franken für die grosse Test-Offensive versprochen hat, melden sich fast täglich neue Interessenten. Cathomas spricht mit den Leuten, erklärt, fragt nach – und verbindet. In kürzester Zeit hat er ein Advisory Board mit Topshots wie dem Epidemiologen Marcel Salathé (46) zusammengetrommelt, welche die Hirslanden-Initiative unterstützen. «Er hat ein riesiges Netzwerk», sagt Hirslanden-CEO Daniel Liedtke (50). Eigentlich sei Cathomas wohl ein Sozialist. «Aber gleichzeitig ist er eben auch ein gewiefter Unternehmer.»
Und er weiss, wie Testen geht. Gelernt hat er das in Graubünden – bei einem Mann vom gleichen Schlag: Martin Bühler (44) ist Chef des Bündner Corona-Krisenstabs. Der Grenadier-Offizier leistete Auslandseinsätze im Nahen Osten und auf dem Balkan. Für den Bund arbeitete er an Abrüstungsprojekten in Afrika und in Bosnien mit. Als Bündner Zivilschutzleiter führte er nach dem Bergsturz in Bondo GR während Wochen den Einsatz vor Ort.
«Offiziere sind Problemlöser», sagt Bühler, der Antreiber der Bündner Massentest-Offensive. Am 10. Januar rief er Cathomas an, um ihn für die Leitung der Betriebstests zu gewinnen. Zwei Tage später war dieser im Führungsbunker in der Hauptstadt Chur. Heute testen in Graubünden über 800 Betriebe mit 40 000 Mitarbeitern. «Das Ziel sind schnellere Öffnungsschritte», sagt Alexa Caduff (42). Auch die ETH-Biologin aus Klosters GR hat etwas Zupackendes. Sie machte umfangreiche Modellrechnungen, die zeigen: Wenn sich 30 Prozent der mobilen Bevölkerung regelmässig testen, sind Öffnungen möglich. In Graubünden sind es schon über 20 Prozent.
Nur möglich dank breiter Unterstützung
Warum betreiben die Bündner schon seit Monaten erfolgreich, was andere Kantone bestenfalls als vage Möglichkeit betrachten? «Entscheidend ist das Ineinandergreifen der Zahnräder», sagt Gieri Cathomas. «Hoch motivierte Mitarbeiter im Führungsstab, aktive Unternehmen und Politiker, die die Krisenmanager machen lassen.» Ohne die Unterstützung von Volkswirtschaftsdirektor Marcus Caduff (47) und Gesundheitsdirektor Peter Peyer (55) wären die Bemühungen von Bühlers Team im Sande verlaufen, sagt Unternehmer Cathomas.
«Der politische Wille ist entscheidend», sagt auch ein anderer Unternehmer: Markus Wolf (46), CEO der Weissen Arena in Flims-Laax GR – noch so einer, der nicht lange fackelt. Mit seinen 1000 Bergbahnen-Mitarbeitern hat er als Erster überhaupt Massentests durchgeführt. Sie waren die Basis für die Betriebstests im Kanton. Schon im letzten November versuchte Wolf, sein Konzept auch dem BAG schmackhaft zu machen – erfolglos.
In Bern fehle auch heute noch die Konsequenz, sagt Wolf. Bundesrat und Parlament hätten einen starken Hebel, um den Tests schweizweit zum Durchbruch zu verhelfen: «Wo getestet wird, soll auch schneller geöffnet werden. Dieser Anreiz wäre mindestens so stark wie das versprochene Geld.»
Vorbild Graubünden?
Dennoch: Die Chancen stehen gut, dass sich das Bündner Modell auch in anderen Kantonen durchsetzt. Ob diese gross oder klein sind, städtisch oder ländlich – das ist nicht entscheidend. «Es ist eine Mentalitätsfrage», sagt Thomas Herbert (51). Der Ex-CEO von Globus arbeitet regelmässig mit Cathomas zusammen. «Pandemie-Verwalter gibt es genug. Es braucht jetzt mehr Macher wie Cathomas, die Probleme nicht bewirtschaften, sondern lösen.»
Krisenmanager, die nicht im Anzug regulatorische Hürden debattieren, sondern in Turnschuhen vor Ort aktiv werden. Die sich nicht an Hierarchien orientieren, sondern am Machbaren. Denn das kommt an: «Wir Schwyzer lassen uns nicht gerne von oben dirigieren», sagt Martina Trütsch. «Deshalb haben wir schnell einen Draht zu Cathomas gefunden. Zusammen können wir das Testen erfolgreich vorantreiben.»
Die Klosterschule Disentis testet übrigens auch. Und vielleicht schon bald die ganze Schweiz. Cathomas arbeitet daran: «Ich gehe den Leuten auf den Sack, bis sie Ja sagen.»