Höhere Prämien, weniger AHV - so schlecht stehts um die Jungen
Die gelinkte Generation

Jérôme Cosandey von Avenir Suisse forscht über die Generationenfrage. BLICK hat mit ihm über die Situation der jungen Generation in der Schweiz gesprochen.
Publiziert: 26.09.2016 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 05:45 Uhr
Caspar Pfrunder
Jérôme Cosandey ist Forschungsleiter Sozialpolitik bei Avenir Suisse.
Foto: ZVG

Die Krankenkassen-Prämien steigen wieder. Auch in Zukunft dürften sie nicht sinken, denn jetzt erreichen die Babyboomer das Rentenalter – die höhere Lebenserwartung, die damit verbundene Langzeitpflege wie auch altersbedingte Krankheiten treiben die Kosten in die Höhe.

Und die Jungen subventionieren die Alten nicht nur bei den Krankenkassen: Die AHV hat das gleiche Problem. Zudem wird die Digitalisierung die Arbeitswelt von Grund auf verändern, prognostizieren verschiedene Studien. Sichere Perspektiven sind das nicht. Ist die Jugend von heute eine Verlierergeneration? 

Jérôme Cosandey von Avenir Suisse meint: «Als Vater bin ich nicht sicher, ob meine Kinder ein besseres Leben haben werden als ich. Es ist mehr Unsicherheit da.»

«Mehr einzahlen oder länger arbeiten»

Seit der Nachkriegszeit ging es ökonomisch stets bergauf. Diese Selbstverständlichkeit ist heute ins Wanken gekommen. Die Altersstruktur der Bevölkerung trägt dazu bei: «Früher hatten wir eine demographische Pyramide. Gegen Lebensende gab es immer weniger Leute. Das hat sich geändert. Zwar ist niemand schuld, aber jetzt ist es so: Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Pensionsalter.»

Aus diesen Gründen sei der Deal zwischen den Generationen für die Jungen weniger attraktiv als vor 20 Jahren. Der Experte meint: «Aus AHV-Perspektive ist es schon so. Man muss heute mehr einzahlen oder länger arbeiten, um die gleiche Rente zu erhalten wie die ältere Generation.» 

«Mit 20 fühlt man sich unsterblich»

Wieso mobilisieren die Jungen nicht stärker gegen diese Generationen-Ungerechtigkeit? Cosandey sagt: «Ein 20-jähriger fühlt sich unsterblich, das Pensionsalter ist viel zu weit weg. Zudem ist es historisch normal, dass Jugendliche weniger stimmen gehen als ältere Menschen. Die heutigen Jugendlichen gehen gar mehr stimmen als früher.»

Das Medianalter der Abstimmenden in der Schweiz liegt bei 56 Jahren. Wird die junge Generation also einfach überstimmt? Das verneint Cosandey: «Dieses Wochenende hat wieder gezeigt, dass die älteren Bürger nicht einfach nur an ihr Portemonnaie denken. Sonst würde ein 80-jähriger ja keinen Franken mehr für ein Schulhaus ausgeben wollen. Es ist aber natürlich schon so, dass Menschen mehr abstimmen gehen, wenn sie direkt betroffen sind.»

Grosseltern helfen auch

Wegen der demographischen Entwicklung müsse der Generationenvertrag neu verhandelt werden, findet Cosandey: «Zwar sollte man nicht Renten abbauen, aber ein Umbau des Systems wäre schon sinnvoll. Statt bis 65 voll zu arbeiten, kann es zum Beispiel sinnvoll sein, das Pensum zu reduzieren und dafür länger Geld zu verdienen.»

Der Experte gibt aber auch zu bedenken: «Der Generationenvertrag umfasst viel mehr als nur die AHV und die Krankenversicherung. Heute helfen Grosseltern beispielsweise häufig bei der Kinderbetreuung oder leisten andere gesellschaftlich wertvolle Arbeit. So fliessen auch viele Leistungen von den Pensionierten zu den Jungen.» 

Ein anderes Thema ist die Digitalisierung. Die Folgen der anstehenden Welle sind schwer einzuschätzen. Cosandey glaubt: «Sie könnte unsere Arbeitsmodelle stark verändern. Die staatliche Sicherheit für Renten dürfte in der Zukunft wohl weniger gegeben sein. Ob die Rente aber wirklich kleiner wird, ist schwer zu sagen.» Denn: «Die Digitalisierung bietet der Schweiz auch viele Chancen. Besonders, weil unser Land stark auf den Dienstleistungssektor ausgerichtet ist.»

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