Vier Tage sind vergangen, seit der Aargauer Oberstaatsanwalt Philipp Umbricht die Öffentlichkeit erlöste: «Die Zeit der Ungewissheit ist vorbei. Der Täter ist gefasst.» Rupperswil, die ganze Schweiz, atmete auf. Endlich ist klar, wer Carla Schauer († 48), ihre Söhne Davin († 13) und Dion († 19) sowie dessen Freundin Simona Fäs († 21) so grausam ermordet hat.
Für die Ermittler ist noch lange keine Ruhe, die intensive Arbeit geht weiter. Auch wenn schon viel über den verhafteten Vierfachmörder Thomas N.* (33) geschrieben wurde: Es ist wohl erst die Spitze des Eisbergs, was man über den ledigen Studenten und Fussballjuniorentrainer bis jetzt erfahren hat. Über den Mann, der noch bei seiner Mutter lebte. Einen Bruder in Aarau hat. Seinen Vater vor fünf Jahren durch einen Herzinfarkt verlor. Und zu dem es noch so viele Fragen gibt.
Sicher ist: Die Polizei fand im Haus von Thomas N., das nur 500 Meter vom Mordhaus entfernt liegt, umfangreiches Datenmaterial. Dieses wird nun ausgewertet. Ob darunter kinderpornografische oder sadistische Bilder sind, ist unklar. Auch ob die Polizei bei Thomas N. die Tatwaffe, ein Messer, und das erbeutete Geld sichergestellt hat, bleibt aus ermittlungstaktischen Gründen noch geheim.
Immerhin: Gestern veröffentlichte die Polizei auch eine gute Nachricht. «Es gibt keine Hinweise auf weitere Straftaten», sagte Fiona Strebel von der Aargauer Staatsanwaltschaft. Auch für weitere Opfer, etwa im Umfeld seiner ehemaligen Fussballklubs, gebe es bisher keine Anhaltspunkte.
Hat Thomas N. eine Todesliste geführt?
Fakt ist: Die vier Toten im Haus der Schauers haben die Mordlust von Thomas N. nicht gestillt. Die Kabelbinder, die man in seinem Rucksack fand, könnten darauf hindeuten, dass er drei oder sogar sechs weitere Menschen töten wollte. Je nachdem, ob er seine Opfer damit auch an den Füssen fesseln wollte. Gut möglich ist, dass Thomas N. eine Todesliste geführt hat.
Umso grösser ist die Erleichterung bei den Anwohnern im Quartier, wo der Mörder nach der Tat fünf Monate unbehelligt lebte. Als sei nichts passiert. Er ging weiter mit seinen Schlittenhunden, zwei Alaskan Malamutes, spazieren. Am Tatort vorbei. Eiskalt. Wohl mit dem Gedanken: «Die erwischen mich nie.»
Warum, wo und wie genau die Ermittler Thomas N. am Ende gefasst haben, bleibt ebenfalls noch geheim. Klar ist jedoch, dass es letzten Donnerstag im Raum Aarau zu mehreren Polizeieinsätzen gekommen ist. In der Nähe von Schulen und bei der Starbucks-Filiale mitten in der Stadt Aarau. Ein Zeuge erzählt BLICK, dass acht Polizisten in Zivil am Nachmittag dort einen Mann festgenommen hatten.
War es etwa der Mörder? Ein Angestellter bestätigte gestern die Verhaftung. Doch die Starbucks-Mitarbeiter haben einen Maulkorb von ihrer Chefin bekommen. Niemand darf darüber reden. Fiona Strebel von der Staatsanwaltschaft will zum Starbucks-Vorfall nichts sagen. Auch nicht, wie man Thomas N. konkret auf die Schliche gekommen ist: «Wir verteilen keine Gebrauchsanweisung, was Delinquenten, egal, welcher Art, alles beachten müssen, damit sie nicht geschnappt werden.»
Die Staatsanwaltschaft gab hingegen bekannt, dass Thomas N. den 13-jährigen Davin sexuell missbrauchte, bevor er ihm, seiner Mutter Carla, seinem älteren Bruder Dion und dessen Freundin Simona die Kehle durchschnitt, sie anzündete und sich dann aus dem Staub machte.
Geständnis nach der Verhaftung
So ruhig, wie sich Thomas N. die nächsten Monate im Quartier verhielt, so ruhig war er auch bei der Verhaftung. Danach lieferte er sofort ein Geständnis ab und konnte nur Stunden später mit den Spuren am Tatort eindeutig in Verbindung gebracht werden.
Im Kommando der Kantonspolizei in Aarau wurde der Ermittlungserfolg nicht gefeiert. Aber es war eine grosse Genugtuung für die 40 Mitglieder der Sonderkommission. In den Medien und im Internet gibt es viel Lob für die Fahnder.
Auch Thomas N. dürfte in den vergangenen fünf Monaten genaustens verfolgt haben, was über die Morde in Rupperswil alles geschrieben wurde. Wahrscheinlich hat es der verschwiegene Einzelgänger sogar genossen, dass 100' 000 Franken für den entscheidenden Hinweis auf ihn ausgesetzt wurden.
Weil er im Quartier als Hündeler und Anwohner nicht auffiel, konnte er sich sicher fühlen. Zudem hatte er kaum enge Freunde. Auch eine Freundin sahen Nachbarn nie. Nur: Laut BLICK-Informationen nahm die Polizei am Donnerstag mindestens eine Person aus dem Umfeld von Thomas N. vorübergehend fest. Für eine Nacht sass Hobbykicker J. H.* (22) in Haft. Ob, und was er für eine Rolle spielte, ist unklar. Auch, ob es doch Mitwisser der Tat gibt.
Zentralgefängnis in Lenzburg AG
Thomas N. wird davon wohl nichts mehr mitbekommen. Er sitzt jetzt in einer Zelle des hochmodernen Zentralgefängnisses in Lenzburg AG (siehe Artikel rechts). Er wird in seiner Einzelzelle streng bewacht. Noch ist wohl nicht klar, ob allenfalls Suizidgefahr besteht. Die Staatsanwaltschaft sagt nur, dass sie die Rückfallgefahr sowie die Schuldfähigkeit klären und ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag geben wird.
Ein Psychiater, der in den Fall involviert ist und öffentlich zum Fall sprach, ist der bekannte Forensiker Josef Sachs. Als BLICK ihn anruft, winkt er ab: «Ich darf jetzt nichts mehr dazu sagen.»
Was werden die Experten über die Bestie von Rupperswil herausfinden? Was erzählen seine Mutter und der Bruder? Die tatsächliche Tiefe der Abgründe des Vierfachmörders von Rupperswil kennt bis heute noch niemand wirklich.
* Name der Redaktion bekannt