Ana (20) sitzt in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Dorf im Kanton Freiburg. Es ist ein ganz normaler Wochentag. 14 Uhr, der grosse Fernseher läuft. Irgendeine Serie.
Die grauen Vorhänge in der kleinen Parterre-Wohnung sind zugezogen. «Ich habe eine Nachbarin, die mich ausspioniert», sagt Ana. «Der Fernseher läuft, damit ich mich nicht so allein fühle.»
Die junge Portugiesin versteckt sich in ihrer Wohnung. Sie schämt sich, weil sie keine Arbeit hat. «Ich wünsche mir nichts sehnlicher als Erfolg im Leben. Beruflich und emotional.»
Einsam trotz Freund
Ana ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen. «Ich kann mir nicht vorstellen, in Portugal zu leben.» Seit drei Jahren ist sie mit ihrem Freund (24) zusammen. Sie liebt ihn. Glücklich ist sie trotzdem nicht. «Ich fühle mich allein. Mein Freund versteht nicht, was ich erlebt habe und was in mir vorgeht.»
Was sie erlebt hat, traumatisiert sie. Ihr Vater verliess die Familie, als Ana drei Monate alt war. Als sie 18 wurde, ging ihre Mutter nach Portugal. Sagte, sie gehe in die Ferien. Nach zwei Wochen klingelt das Telefon. «Es war meine Mutter, die mir sagte, sie komme nicht mehr in die Schweiz zurück.»
Das Weggehen der Eltern hat Ana für immer geprägt. «Sie liessen mich im Stich.»
Tante (†52) ermordet
Es sollte nicht ihr letzter Schicksalsschlag sein. Ihre Tante Maria (†52) wird Ende 2014 in Freiburg in ihrem Schneider-Atelier von ihrem Ehemann erwürgt. «Sie wollte sich scheiden lassen und lebte vor ihrem Tod bei uns.»
Der Mörder (60) kassiert 17 Jahre Knast. Das Strafgericht des Saanebezirks ordnet im März 2017 die Verwahrung des Portugiesen an. Der Mann hatte auch seine Söhne sexuell missbraucht.
Ana sagt mit ruhiger Stimme: «Er ist ein Psychopath. Die Schweiz behandelt ihn viel zu gut. Er darf sich jetzt im Gefängnis ausruhen.»
Keine Lehre, hohe Schulden
Die junge Frau erholt sich von diesen Tiefschlägen nie. «Der Mord an meiner Tante hat mich zerstört», sagt Ana. «Ich fiel in ein riesiges Loch. Meine ganze Motivation war weg.» Das Mädchen hält sich nach dem 10. Schuljahr mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Letztes Jahr bricht sie eine Lehre schon nach wenigen Monaten ab. Es fehlt die Motivation.
«Ich habe 22'000 Franken Schulden», sagt sie traurig. «Ich möchte das Geld unbedingt einmal zurückzahlen.» Die Schulden? Sozialhilfe, die Ana seit zwei Jahren bezieht.
Sehnsucht nach Stabilität
Ana hat ein paar wenige Bekannte aus ihrer Schulzeit. «Ich gehe nicht in den Ausgang. Ab und zu kommt jemand vorbei.» Die junge Frau ist in einer Therapie. «Ich fühle mich oft ganz allein. Ich sehne mich nach Stabilität und einem festen Job.»
Nach Auswegen aus der Einsamkeit, die sie trotz Partner verspürt. Psychologin Christine Harzheim erklärt, wie man einsam zu zweit sein kann: «Körper und Seele erstarren, das Vertrauen in die eigene Sicherheit ist zutiefst erschüttert. Das Gefühl von Einsamkeit mitten im «prallen Leben» entsteht da, wo das Bedürfnis, sich zu schützen, wichtiger ist als alles andere.»
Ana schreibt jetzt ein Buch. Eine Autobiografie mit dem Titel «Athèna Joy». Für sie auch eine Art Therapie.
Einsamkeit muss nicht sein: Das Schweizerische Rotes Kreuz (SRK) hat einen Besuchs- und Begleitdienst für allein lebende Menschen. Der Dienst wird regional von den Rotkreuz-Kantonalverbänden organisiert (www.redcross.ch). Auch die Heilsarmee bietet Aktivitäten für Alleinstehende, etwa Mittagstische (www.heilsarmee.ch). Senioren können bei der Pro Senectute (www.prosenectute.ch) nachfragen. Beratung gibt es auch bei den Landeskirchen (Seelsorge.net). Die Dargebotene Hand, Tel. 143 (www.143.ch), kann ebenfalls weiterhelfen. Jugendliche finden unter der Notrufnummer 147 (www.147.ch) bei Pro Juventute Hilfe.
Einsamkeit muss nicht sein: Das Schweizerische Rotes Kreuz (SRK) hat einen Besuchs- und Begleitdienst für allein lebende Menschen. Der Dienst wird regional von den Rotkreuz-Kantonalverbänden organisiert (www.redcross.ch). Auch die Heilsarmee bietet Aktivitäten für Alleinstehende, etwa Mittagstische (www.heilsarmee.ch). Senioren können bei der Pro Senectute (www.prosenectute.ch) nachfragen. Beratung gibt es auch bei den Landeskirchen (Seelsorge.net). Die Dargebotene Hand, Tel. 143 (www.143.ch), kann ebenfalls weiterhelfen. Jugendliche finden unter der Notrufnummer 147 (www.147.ch) bei Pro Juventute Hilfe.