Die Muotathaler werfen einander Kommerzdenken und Fehlprognosen vor
Eiszeit bei den Wetterschmöckern!

Das Klima spielt verrückt – und bei den Muotathaler Wetterschmöckern donnerts: Sie werfen einander Kommerzdenken und Fehlprognosen vor.
Publiziert: 08.02.2020 um 20:32 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2020 um 09:12 Uhr
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Die Wetterschmöcker sind eine Sechs-Mann-Truppe aus dem Kanton Schwyz.
Foto: Si
Rachel Hämmerli

Frühlingsgefühle im Februar bei Aperol Spritz mit Eiswürfeln und der Sicht auf grüne Skipisten: Das hatte Wetterschmöcker Martin Horat (75) nicht vorhergesehen, als er im Oktober verkündete, der Winter werde schneereich und kalt.

Der Schnee ist bisher ausgeblieben, dafür gabs ein Donnerwetter unter zwei rüstigen Naturfreunden. Die Beziehung zwischen ­Horat und dem amtierenden ­Wetterkönig Peter Suter (93) ist im Dauertief. SonntagsBlick traf die «Zanggicheibä» im Restaurant Adler in Ried SZ zu Friedengesprächen.

Suter verstummt, als Horat in die Gaststube tritt. Gerade wollte er sagen, wie er seine Prognosen macht. «Wenn er da ist, verrate ich nichts», murrt Suter nun. Er nehme das Wetterschmöcken zu wenig ernst, veralbere es sogar öffentlich. Der Ältere wirft dem Jüngeren Kommerz vor.

«Chli stinke muess es»

Der Beschuldigte ist Medienstar und Werbeträger der Muotathaler Wetterschmöcker – unter sich nennen sie ihn «Wettermissionar». Für Schweiz Tourismus setzte sich Horat schon in einen Ameisenhaufen und prognostizierte anhand ihrer munzigen Oberschenkel einen «verreckt schönen Winter». Auch Coop nutzte Horats feines Näschen schon für die Vermarktung von Fondue und ­Raclette. Laut ihm gilt für jedes Fondue: «Chli stinke muess es.»

Die ganze Schweiz schmunzelt mit dem urchigen Bergler – Peter Suter schnauft. «Es ist mittlerweile zu klamaukig geworden.» Dabei gebe es nichts Ernsteres als das Wetter. Er spreche aus der Erfahrung ­eines Bauernsohns. Bevor Wetterdienste die Entwicklung täglich und verlässlich prognostizierten, verliessen sich Landwirte auf die Zeichen der Natur. Daraus entstanden Bauernregeln: «Trägt der Pilatus einen Hut, wird das Wetter gut.»

Die Wetterschmöcker vereinigten sich als Wächter des Erfahrungs­wissens und gründeten 1947 den Meteorologen-Verein Innerschwyz.

Gestartet mit 67 Mitgliedern, zählt er heute rund 5'000, auch aus Neuseeland, Kanada und Österreich. Dennoch sieht Suter durch Horats ­eigenwillige Methoden die Tradition gefährdet. Ein Beispiel sei dessen Behauptung, aus dem Geschmack von Schnee das Wetter deuten zu können. Damit könne man keine Pro­gnose für ein halbes Jahr erstellen, sagt Suter.

«Hauptsache sollte das Wetter sein»

Und was bringt der Angeschuldigte vor? Ja, Schnee zu essen, sei eine unsichere Methode. Besonders, «wenn vorher ein Hund das Bein gelüpft hat». Horat bekennt, dass Suters Beobachtungen oft verlässlicher seien als seine. «Die Seriosität geht unter dem Klamauk schon ein bisschen verloren», gesteht Horat. «Säb isch scho so» – das ist schon so.

Deswegen sterbe aber die Tradi­tion nicht. Im Gegenteil: «Die Leute interessieren sich hauptsächlich für uns, weil wir lustig sind», sagt ­Horat. Wetterprognosen würden die Leute schnell vergessen. «Aber der Witz, der bleibt.»

Gegen Humor spreche nichts, sagt Suter. «Aber die Hauptsache sollte das Wetter sein.» Und das folgt gerade nicht den Prognosen der Wetterschmöcker. Wie Horat prognostizierte auch Suter einen Winter «mit viel Schnee und kalten Tagen – wie früher in den 70er-Jahren».

Immerhin ist auf das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus Verlass. Dessen Satelliten zufolge war der Januar exakt 0,2 Grad wärmer als der bisher wärmste Januar 2017. Das Jahrzehnt startet also wärmer denn je.

Der Schnee soll noch kommen

Zwingt das veränderte Klima die Wetterschmöcker, sich weiterzubilden? Martin Horat ist unbesorgt. «Es hat schon immer Klimawandel gegeben», sagt er. Man erinnere sich an die Dinosaurierzeit. «Wegen des Klimawandels sind die Dinosaurier ausgestorben.» Man denke auch an die Hitzewelle im 16. Jahrhundert. «Die Menschen haben gestöhnt!» Der einzige Vorteil der hohen Temperaturen sei der gute Wein gewesen.

Das Wetter tue eben, was es wolle, meint Horat – da könne man nichts machen. Peter Suter stimmt zu. Ergänzt aber, dass es durchaus wärmer geworden sei. Er könne die Schneefallgrenze nicht mehr genau bestimmen. Was früher – als es noch mehr schneite – möglich gewesen sei. Doch auch heuer werde der Schnee noch kommen. Im März, «wenn die Skiferien schon fertig sind» und es egal sei, ob er falle.

Martin Horat verrät noch schnell seine Schneetheorie: «Wenn eine Kuh hustet, schneit es innert fünf ­Tagen.» Es wird nicht ganz klar, wie ernst er das meint.
In Schweden ist der Winter so mild, dass bereits die Kirschen knospen. An Kirschen riechen die Wetterschmöcker zwar nicht, die wachsen nicht im Muotatal; dem Bauer schmeckt eben nur, was er kennt – auch dies eine Bauernweisheit. Als Dankeschön für das Streitgespräch bekommen die beiden trotzdem Kirschpralinen aus Zug.

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