Die Zelle ist keine zehn Quadratmeter gross. Ein karges Bett, ein Tisch, die Toilette im Raum, die Fenster vergittert. Hier, im Bezirksgefängnis Zürich, hat Natalie K.* (27) die letzten Wochen bis zu ihrem Tod verbracht. Am Freitag hat sie sich kurz nach dem Mittagessen stranguliert.
Gestern erinnert nichts mehr an die junge Frau. Reinigungsleute haben den Raum geputzt. Bald zieht der nächste Häftling ein. «Man spürte förmlich, wie einsam sie war und wie alleine sie sich gefühlt haben muss», sagt ihre Mutter Christine K.* (50). Es war kein leichter Tag, den sie und ihr Mann Björn K. (51) gestern überstehen mussten. Am Morgen ging das Paar noch einmal in die Zelle. Den Ort, an dem ihre Tochter derart verzweifelte, dass sie nur noch den Freitod als Ausweg sah. Sie wollten mit eigenen Augen sehen, was sie noch immer nicht fassen können. «Hätte man unserer Tochter geglaubt und ihre Suizidabsichten ernst genommen, würde sie noch leben.»
Die Eltern hatten gehofft, dass sie die Habseligkeiten von Natalie gleich mit nach Hause nehmen können. Eine Kiste voll Erinnerungen, mit Fotos, Zeichnungen, Kleidern, Schmuck und Kosmetik. «Sie war bereits gepackt. Doch da ihr Mann Mike eine Strafanzeige einreichte, hat sie die Staatsanwaltschaft wieder beschlagnahmt», sagt ihre Mutter. Am Montag hat Mike K. die Justiz verklagt wegen Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (BLICK berichtete).
Bekommen haben seine Schwiegereltern Christine und Björn K. dafür den Abschiedsbrief ihrer Tochter. Die Staatsanwaltschaft hatte die Zeilen bis gestern unter Verschluss gehalten. «Er war an uns adressiert», sagt die trauernde Mutter. Am Schluss schreibt die Tochter: «Danke für alles. Ich werde auf euch warten, bis ihr alt und gebrechlich seid.» Und: «Hebed Sorg. Ich wünsch eui ä schöni Zuekunft. Ich liebe euch. Eure Nati.»
Das Amt für Justizvollzug Zürich gab gestern bekannt, dass es kurz nach der Verlegung von Natalie K. ins Untersuchungsgefängnis Ende April zwei Zwischenfälle gegeben habe, die als «Vorbereitungshandlungen für einen Suizidversuch gewertet werden können». Deshalb sei sie «sehr engmaschig betreut» worden. Offensichtlich nicht engmaschig genug.