Die Post kam direkt aus der Strafanstalt Lenzburg AG. Der selbst gestaltete Briefkopf zeigte eine Art Adelswappen mit einem Pferdekopf – und den Namen in verschnörkelter Schrift: Alfredo V. Lardelli.
Der hochgestochene Text dazu: «In rubrizierter Angelegenheit erlaube ich mir in einer Brevität zu proklamieren, wie die Problematik im dreifachen Tötungsdelikt von Station Siggenthal sich presentiert.» So schreibt der Untersuchungshäftling 1987 (rund zwei Jahre nach der Bluttat) dem BLICK-Reporter. Er stellt gleich fest, dass es keinen «Fall Lardelli» gebe. Beweise für seine Tat auch nicht.
Schon kurz nach der Inhaftierung hatte sich der Immobilienhändler in der Knastbibliothek auf alles gestürzt, was mit Gesetz und Recht zu tun hatte. Um für die zahlreichen Werke Platz zu schaffen, wurde ihm sogar eine weitere Bücherablage zur Verfügung gestellt.
In der Folge begann Lardelli die Strafanstaltsoberen mit ellenlangen Eingaben zu nerven. So verlangte er neben feinen ledernen Arbeitsschuhen einen Bürostuhl für seine Zelle. Als Lardellis Aufsichtsbeschwerde gegen den abschlägigen Bescheid von der Justizabteilung abgeschmettert wurde, gelangte er mit seiner Bitte an die BLICK-Redaktion. «Es würde mich immens erfreuen, wenn ich schon bald (...) auf dem ‹Bürostuhl für aktive Leute› zu Papier tippen könnte.» Dem Wunsch konnte nicht entsprochen werden.
Nach seiner Verurteilung mutierte Lardelli für seine Mithäftlinge in Lenzburg AG und Regensdorf ZH quasi zum Hausjuristen. Schrieb für Betrüger oder Drogenhändler fleissig Urlaubs- und sonstige Gesuche.
«Sein Halbwissen setzte er anschliessend mit grossem Eifer in der Freiheit ein», so die NZZ nach seinem Tod. Und: «An Redegewandtheit und Selbstbewusstsein fehlte es dem Mörder nicht.»
Daneben baute sich Lardelli im Strafvollzug ein weiteres Standbein auf. Nach der Bäckerlehre liess er sich zum Konditor ausbilden. Dies kam dem selbst ernannten Rechtskonsulenten später zugute. Als er einem Schuldner drohte, dessen Seitensprung öffentlich zu machen, wurde er zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert. Die 360 Stunden verdiente sich Lardelli in der Backstube ab.
Seinen grössten Triumph plante der selbst ernannte Jurist auf Kosten des heutigen Bundesrats Ueli Maurer. Er zeigte ihn wegen Fälschung eines Mietvertrages an. Vertreten wurde Maurer ausgerechnet von Luzi Stamm, dem Richter, der Lardelli einst 20 Jahre hinter Gitter gebracht hatte. Mit «Servus Kollega Luzi Stamm», begann Lardelli jeweils seine Briefe in der «Causa Maurer».
In weiser Voraussicht liess sich Stamm von Walter Hagger, dem Anwalt von Christoph Blocher, ablösen. Ueli Maurer wurde freigesprochen.
Neben seinem teils wirren Juristenkauderwelsch liebte es Lardelli, seine Gegner mit deftigen Ausdrücken und Beleidigungen einzudecken. Einem Geschäftsmann schrieb er: «Sie sind als Spassvogel bekannt, der Spass wird Ihnen vergehen, und ein Vogel bleiben Sie.»
Einem anderen Kontrahenten kündigte er «Heute rot, morgen tot» an. Vor Gericht bestritt Lardelli eine Todesdrohung. Er habe den rotgesichtigen Mann bloss vor den Folgen eines hohen Blutdrucks gewarnt. Es gab einen Freispruch für den selbst ernannten Rechtskonsulenten.