Eigener TV, feines Essen und direkte Sicht auf die Berge. «Ich habe jeden Tag genossen, würde jederzeit wieder ins Gefängnis gehen», erklärte Architekt Norbert Guillod (73) gestern im BLICK. Statt zwei Bussen zu bezahlen, sass er im Waadtländer Gefängnis La Croisée. «Ich habe mich richtig wohlgefühlt, es ist wie im Hotel.»
Sind unsere Gefängnisse wirklich so gemütlich? Einer der die Schweizer Knäste kennt, wehrt sich. «Es stimmt nicht, dass wir Luxus bieten», sagt Thomas Freytag (41), Präsident von Freiheitsentzug Schweiz. «Jedem, der anderes behauptet, empfehle ich, sich in einem etwa neun Quadratmeter grossen Raum mit Bett, Tisch, Lavabo und WC einzuschliessen.»
Häftlinge verdienen sich die Qualität
Das gute Essen, die regionalen Lebensmittel seien den Insassen zu verdanken. «Nahrungsmittelproduktion und Küche übernehmen die Häftlinge selbst. So haben sie Arbeit. Und das Essen ist dadurch etwas besser, als es sich einige unter ihnen gewohnt sind», sagt Freytag.
Da die meisten Schweizer Gefängnisse auf dem Land erbaut wurden, kommt oft eine tolle Aussicht dazu. «Das Ziel ist nicht, die Täter bei Wasser und Brot in ein Verlies zu sperren. Wir wollen sie resozialisieren. Dazu sollten sie so normal leben wie möglich», erklärt der Gefängnisdirektor.
Er erhält Unterstützung vom Zürcher Strafrechtsprofessor Martin Killias (SP, 64): «Grundsätzlich ist die Haft sicher Strafe und nicht Belohnung, der Verlust der Freiheit ist ein prägendes Erlebnis.» Vor allem die Herkunft entscheide, wie hart eine Strafe wahrgenommen werde: «Für Täter aus tieferen gesellschaftlichen Schichten ist die Haft nicht so schlimm, sie wirkt weniger rufschädigend.»
Politiker von Mitte bis Rechts kritisieren Standard
«Eine Zelle zu bauen, kostet mehr als ein Zimmer im Vier-Sterne-Hotel», schimpft der Aargauer SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (59). «Dabei dürfte dort nur das Nötigste rein.» Sein Amtskollege Alfred Heer (51) fordert klipp und klar: «Keine TV-Sender à gogo und kein extensives Menü-Angebot!» Der Zürcher SVP-Politiker nennt noch ein Beispiel: «Es kann doch nicht sein, dass wie in der Zürcher Strafanstalt Pöschwies extra ein Theatersaal eingerichtet wird.»
Auch die Mitteparteien kritisieren die üppige Innenausstattung, das breite Angebot im Knast: «Im Ausland würde keiner freiwillig sitzen. Hierzulande verstehe ich das leider, die Haft ist zu lasch», sagt der Basler CVP-Nationalrat Markus Lehmann (57).
Und der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri (57) findet: «Die Gefängnisse sind im europäischen Vergleich sicher sehr komfortabel. Ich hoffe nur, dass wenigstens das Feierabendbier untersagt ist.»