Im Zentrum von Zürich ist am Freitag um 18 Uhr fast nichts los. Wo sich sonst der Verkehr endlos staut und die Passanten in Massen in die Läden strömen, geht es gemächlich zu. Als der Match beginnt, halten die Zürcher im Dienst trotzdem die Stellung. Fussball kommt erst nach Ladenschluss.
Am Bellevue überzeugt Nora Sefa (19) Passanten, für die Behindertenstiftung Pro Infirmis zu spenden. «Ich mache meinen Job gern! Ich mag auch Fussball. Aber zuerst kommt die Pflicht», sagt sie. Trotzdem ist sie darüber informiert, wie es um die Schweizer Nati steht. «Dort hinten hat es einen Bildschirm. Tore bekomme ich schon mit», sagt die Fundraiserin. Sie hofft auf einen Schweizer Sieg. «Das wäre cool. Dann gibt es in der Stadt eine super Stimmung. Ich feiere einfach nach Feierabend mit.»
Stellung halten ist Pflicht
Im Handyladen am Sechseläutenplatz stehen mehr Berater als Kunden. Trotzdem sind alle Mitarbeiter auf ihren Plätzen, vor den beiden Grossbildschirmen steht niemand. «Der Job hat oberste Priorität», sagt Hamid Fallah (30). «Klar fiebere ich mit der Schweiz mit, aber die Kunden sind wichtiger als das Spiel. Selbst wenn ein Penalty geschossen wird, muss ich mich auf den Kunden konzentrieren.»
«Kochen und fernsehen geht nicht»
Auch am Pepito-Stand läuft kein Fussball. «Kochen und fernsehen geht nicht», sagt Chefkoch Ou Chenda (49). Für ihn ist das nicht ganz einfach. «Ich bin ein eingefleischter Fussballfan. Ich schaue den Match gleich nach Feierabend in der Wiederholung», so der Zürcher.
Schlecht vertragen sich auch fernsehen und Taxi fahren. Chauffeur Kiro (62) ist sichtlich nervös, als nach kurzer Wartezeit bereits wieder eine Kundin einsteigt. Aber auch er zieht klar einen Strich zwischen Job und Fussball. Sein Handy steckt er schnell in die Halterung und begrüsst höflich den Fahrgast. «Ich schau nur in den Pausen. Natürlich fiebere ich mit der Schweizer Nati mit, aber ich habe eine grosse Verantwortung in diesem Job.»
«In den Streifenwagen hat es Radio»
Auch in der Pflicht für lückenlose Aufmerksamkeit sind die Notfalldienste. Die Sprecherin der Stadtpolizei Zürich, Judith Hödl, sagt: «Es ist sicherlich ein sehr spezielles Ereignis. Der Dienst geht trotzdem vor.» Aber: «Wenn es auf der Wache mal etwas ruhiger ist, können die Leute zwischendurch auch EM gucken. In den Streifenwagen hat es zudem ein Radio, und einige Polizistinnen und Polizisten sind an den neuralgischen Punkten als Euro-Patrouillen in der Stadt unterwegs. Dadurch sind sie sowieso immer über den aktuellen Spielstand informiert.»