Der Sohn von Beat Meier (61) nahm sich nach Prügelattacke das Leben
«Alain ist immer bei mir»

Vor einem Jahr wurde Alain Meier (†21) von drei Jugendlichen in Zug verprügelt. Kurz darauf nahm er sich das Leben. Am Montag beginnt der Prozess gegen die Schläger.
Publiziert: 01.10.2016 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:47 Uhr
Anian Heierli
Beat Meier auf der Schützenmattwiese in Zug. Hier wurde sein Sohn brutal verprügelt.
Foto: Stefan Bohrer

Beat Meier (61) steht auf der Schützenmattwiese in Zug und ringt mit den Tränen. «Ich ertrage diesen Ort kaum», sagt er. Vor einem Jahr verprügelten drei Jugendliche hier seinen Sohn Alain (†21). Grausam und grundlos. Kurz darauf erhängte sich Alain in seiner Wohnung. Wegen seiner starken Angstzustände.

Alain Meier (†21) litt nach der Attacke unter Angstzuständen.
Foto: ZVG

Die brutalen Schläger kannten keine Gnade. Am Abend des 4. September 2015 lungern T. A.* (17), R. R.* (17) und B. S.* (16) auf der Schützenmattwiese herum. Sie sehen, wie Alain Meier mit vier Kolleginnen und einer Kiste Bier auf sie zukommt. Sie pöbeln, fordern eine Flasche. Alain erwidert: «Nein, nicht an Minderjährige.» Aus dem Nichts heraus prügeln die Jugendlichen auf ihn ein. Selbst als ihr Opfer längst am Boden liegt, treten sie weiter mit voller Wucht gegen dessen Kopf. Alain kommt mit einem Schädel-Hirn-Trauma ins Spital. Das ist zu viel für den sensiblen jungen Mann: Am 8. September nimmt er sich das Leben.

Schwere Körperverletzung, Raufhandel und Angriff

Die drei Schläger stehen ab Montag vor dem Zuger Strafgericht. Der Vorwurf: schwere Körperverletzung, Raufhandel und Angriff. Die Staatsanwaltschaft fordert 36 Monate Knast für den mutmasslichen Haupttäter T. A., 32 für R. R. und neun Monate bedingt für B. S. (16), den Jüngsten der Bande.

Pizza und Pistole: Mit solchen Bildern wird das Umfeld von Alain seit dessen Suizid bedroht.
Foto: ZVG

Beat Meier wird am Prozess teilnehmen. «Sicher, es fällt mir extrem schwer», sagt er. «Ich muss einfach dabei sein. Ich will sehen, ob die Angeklagten endlich Reue zeigen.» Die Zeichen dafür stehen schlecht. Die Ermittlungen haben ein anderes Bild ergeben. Die Schläger haben über Social Media von Alains Suizid erfahren. Sie organisieren ein Treffen. Skrupellos und kaltblütig sprechen sie ihre Aussagen ab. Ziel ist es, Alain als Angreifer hinzustellen – Tote können sich schliesslich nicht mehr wehren.

Hinzu kommt: Unbekannte bedrohen vor dem Prozess Personen aus Alains Umfeld sowie Zeugen massiv. Es sind Kriegserklärungen mit mafiösen Tendenzen.

«Die ganze Wahrheit muss ans Licht kommen»

Vater Beat Meier lässt sich davon nicht abschrecken. Im Gegenteil. Er ermittelt sogar auf eigene Faust, spricht mit Leuten und sucht Kontakt zu den Tätern: «Die ganze Wahrheit muss ans Licht kommen. Die Behörden leisten zwar Top-Arbeit. Doch im Spital sprach mein Sohn von mehr als nur drei Angreifern.»

Für Meier ist klar: «Die Attacke auf der Schützenmattwiese löste den Selbstmord von Alain aus.» Er zeigt BLICK das letzte SMS von seinem Sohn: «Papa. Ich getraue mich nicht auf die Strasse. Ich habe Angst. Ich möchte von zu Hause aus arbeiten. Es ist gefährlich auf der Strasse.» Beat Meier findet kaum Worte: «Ich versuchte ihn zu erreichen, ohne Erfolg.» Eine böse Vorahnung überkommt ihn. Er fährt zu Alains Wohnung, schliesst die Tür auf – und findet seinen Sohn. Der ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Die schrecklichen Bilder verfolgen den Vater bis heute.

Er machte freiwillig eine ambulante Therapie: «Zeichnen hat mir geholfen.» Mittlerweile seien die Szenen in seinem Kopf nur noch verschwommen.

Seinen Sohn wird er aber nie vergessen. «Alain ist immer bei mir», sagt Beat Meier. Aus der Asche des Toten wächst eine Eiche. «Wenn der Baum stark genug ist», sagt der Vater, «verpflanze ich ihn in der Wildnis von Alaska.»

* Namen der Redaktion bekannt

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