Der Schweizer Spion Daniel M. und die UBS
«Bundesanwaltschaft missbrauchte Bank für Lockvogel-Aktion»

Auslöser der Affäre um den Spion Daniel M.* war eine Strafanzeige der UBS. Untersuchungsakten zeigen nun, wie die Bundesanwaltschaft die Grossbank am Gängelband führte.
Publiziert: 06.08.2017 um 00:19 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:35 Uhr
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Daniel M.s Anwalt Valentin Landmann hält Teile der Ermittlungen für illegal.
Foto: Joseph Khakshouri
Viktor Dammann

Wer den Fall des Schweizer Spions Daniel M.* (54) kennt, der weiss: Er begann im Januar 2015 mit ­einer Strafanzeige der UBS wegen Verdachts der ungesetzlichen Beschaffung von Bankdaten. Die Frage, weshalb sich die Grossbank überhaupt in dieser pein­lichen Affäre engagierte, konnte bisher niemand beantworten.

SonntagsBlick fand nun he­raus: Die UBS-Manager liessen sich am Gängelband führen – von der Bundesanwaltschaft in Bern. «Die Bank wurde regelrecht benutzt, um eine illegale Lockvogel-Aktion zu verschleiern», sagt Daniel M.s Strafverteidiger Valentin Landmann.

Der Ursprung der verwickelten Angelegenheit liegt noch weiter zurück. Im Oktober 2014 informierte der ebenso sagenumwobene wie zwielichtige Agent Werner Mauss (77) die UBS, dass ihr Ex-Mitarbeiter Daniel M. Teil ­eines Netzwerks sei, das weltweit auf Kontodaten zurückgreifen könne, auch aus der Schweiz.

Mauss steckte von Anfang an hinter dem Fall M.

Die Grossbank schaltete die Berner Ermittler ein. Doch «statt eine Strafuntersuchung einzuleiten, liess sich die Bundesanwaltschaft monatelang von der Bank mit Berichten und Unterlagen bedienen», so Landmann. Die Strafanzeige der UBS erfolgte erst Monate später.

Und noch etwas fällt auf: Mauss («Bild»-Zeitung: «Der deutsche James Bond») steckte von Anfang an hinter dem Fall M. Er liess ­einen Komplizen bei dem Schweizer anfragen, ob er Kontodaten deutscher Kunden der russischen Gazprom-Bank beschaffen könnte und – noch ein Knüller – Bankdaten von August Hanning, Ex-Präsident des Bundesnachrichtendiensts (BND). Für den deutschen BND war Mauss lange tätig.

Daniel M. biss an und beschaffte erste Datensätze. Gemäss Bundesstaatsanwalt Carlo Bulletti kassierte er dafür insgesamt 130'000 Euro. Was M. nicht wusste: Eine Drittperson hatte ihm möglicherweise gefälschte Daten angedreht – mutmasslich im Auftrag von Werner Mauss!

UBS-Spitzenjurist Oliver Bartholet – der den trickreichen Agenten eigens in Frankfurt (D) traf, sagte bei seiner Einvernahme als Auskunftsperson durch die Bundeskriminalpolizei (BKP): «Herr Mauss hat den Rechtsdienst der UBS fortlaufend über den Stand seiner Aktivitäten (...) informiert.» Berichte und Unterlagen seien der Bundesstaatsanwaltschaft «zeitnah» weitergeleitet worden: «Herr Mauss stand auf Wunsch der Bundesstaatsanwaltschaft nicht in einem direkten Kontakt» zu der Behörde.

Weshalb liess sich die Grossbank auf das Versteckspiel ein?

Und jetzt wird es wirklich brisant: Die Bundesstaatsanwaltschaft, so Bartholet weiter, habe der UBS angezeigt, dass sie mit der Fortführung der Korrespondenz, der Gespräche und dem Treffen mit Daniel M. durch Herrn Mauss einverstanden sei.

Aber weshalb liess sich die Grossbank auf dieses Versteckspiel ein? Bartholet: «Angesichts der bestehenden Verdachtsmomente auf ein strafbares Verhalten von Drittpersonen bestand ein ­legitimes Interesse der UBS, zur Sachverhaltsaufklärung in Abstimmung mit der Bundesanwaltschaft und Herrn Mauss beizutragen.»

Was immer das heisst …

Am 15. Januar 2015, drei Tage nach der Strafanzeige, holte der leitende Bundesstaatsanwalt Carlo Bulletti bei EJPD-Vorsteherin Simonetta Sommaruga die Ermächtigung zur Verfolgung von M. ein. Bulletti erhielt zudem die Ermächtigung, «Oberservations- und technische Überwachungsmassnahmen» durchzuführen. Und vom Berner Zwangsmassnahmengericht wurde ihm der Einsatz eines verdeckten Ermittlers genehmigt.

Die UBS meldete Bulletti prompt, dass für den 2. Februar die Übergabe von weiteren illegal erworbenen Kundendaten in der Schweiz geplant sei. Das Treffen fand im Hotel Savoy statt, vis-à-vis der Zürcher UBS-Zentrale. Der verdeckte Ermittler, Deckname «Ladner», gab an, einen Mitarbeiter von Mauss zu vertreten. Als M. nach dem Gespräch das Savoy verliess, kam er nur wenige Schritte weit. Um 16.22 Uhr wurde er von Beamten der Bundeskriminalpolizei verhaftet. «Die BKP hat festgestellt, dass Sie (Daniel M.; Red.) sich heute (...) mit einer Person getroffen haben, wo es um einen mutmasslichen Verkauf von Daten geht. (...) Wegen Kollusionsverdacht werden Sie vorläufig festgenommen», heisst es im Festnahmerapport. Das Strafverfahren gegen M. in der Schweiz ist weiter hängig – fragt sich nur, weshalb?

«Schon vor der Verhaftung meines Mandanten wusste der Bundesstaatsanwalt von der UBS, dass die Kontodaten allesamt gefälscht waren. Sie hatte Daniel M. in eine Falle tappen lassen, ohne sich dabei die Finger schmutzig zu machen», so M.s Verteidiger Landmann. Er will nun beantragen, dass alle Ton-und Bildaufnahmen, die im Zusammenhang mit der Lockvogel-Aktion von Mauss entstanden sind, aus den Akten entfernt werden. Illegal beschaffte Beweismittel dürfen vor Schweizer Gerichten nicht verwendet werden.

Agent provocateur Werner Mauss und sein Mitarbeiter könnten sich ins eigene Bein geschossen haben. Die Bundesanwaltschaft hat auch gegen sie und den mutmasslichen Lieferanten der Fake-Daten ein Strafverfahren eröffnet.

*Name der Redaktion bekannt

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