Die ’Ndrangheta ist die mächtigste Mafia-Organisation Europas. Jährlich macht sie einen Umsatz von geschätzten 50 Milliarden Franken – vorwiegend mit Drogenhandel und der Kontrolle über die Müllentsorgung.
Lange Zeit stand die 'Ndrangheta im Schatten der sizilianischen Cosa Nostra. Doch im Zuge der Fahndungserfolge in Sizilien seit Beginn der 1990er-Jahre hat sich dies geändert. Koordiniert aus Kalabrien, hat sie Ableger in ganz Europa, Nord- und Südamerika sowie Russland und Australien.
Von den italienischen Mafia-Organisationen sei die 'Ndrangheta in der Schweiz am stärksten präsent, heisst es im fedpol-Bericht, der im Mai 2015 publiziert wurde.
Stark im Thurgau
Ein starke Zelle gab es in Frauenfeld. Heute, noch im Morgengrauen, klickten da die Handschellen. Und zwar gleich 12-mal. Mutmassliche Mitglieder der Mafia wurden festgenommen. Sie sitzen in Auslieferungshaft und werden derzeit befragt. Laut italienischen Medien handelt es sich um Männer im Alter zwischen 37 und 73 Jahren, fast alle stammen aus dem Dorf Fabrizia in Kalabrien. Viele wohnen schon seit über 40 Jahren in der Stadt Frauenfeld.
Zwei weitere Verdächtige stammen aus dem Wallis. Bei ihnen handelt es sich aber laut Folco Galli, dem Sprecher des Bundesamtes für Justiz, mutmasslich um Mitglieder einer weiteren Mafia-Zelle. Im Zuge der Verhaftungen von Antonio N. (60) und Francesco N. (34) sollen Ermittlungen und Hausdurchsuchungen in den Oberwalliser Ortschaften Visp, Stalden und Saas Grund durchgeführt worden sein.
Erste Festnahmen 2014
Schon 2014 waren die Ermittlungen zur ’Ndrangheta-Zelle in den Schlagzeilen: Nachdem hunderte von Telefonaten abgehört wurden und in einem Boccia-Club in Wängis TG ein Treffen der Gruppe gefilmt wurde, schritten die Behörden ein.
Der Chef der Thurgauer Zelle, Antonio N.* (65), und Raffaele A.* (74) wurden später in Italien geschnappt. Sie wurden 2015 zu 14 und 12 Jahren Haft verrurteilt. Andere mutmassliche Mitglieder der Frauenfelder Zelle sitzen erst seit heute hinter Gittern. Antonio N. hatte laut Medienberichten vom italienischen Mafia-Paten Giuseppe Primerano die Erlaubnis erhalten, das Einflussgebiet der Thurgauer ’Ndrangheta auch auf süddeutsches Gebiet in Baden-Württemberg auszudehnen.
Angehörige sagen nichts
Reporter von BLICK haben heute Morgen, die Angehörigen der Verdächtigen besucht. Vor der Haustüre sind sie auf eine Mauer des Schweigens gestossen. Niemand wollte reden.
In der Schweiz wohnen laut fedpol einige Personen mit zum Teil engen familiären Bezügen zu hochrangigen Vertretern der 'Ndrangheta in Kalabrien.
Nicht alle mutmasslichen Mafiosi, die im Visier der Behörden sind, sind noch kriminell tätig. Gerade Mitglieder der Führungsebene hätten zwar früher Delikte begangen. Heute aber verhielten sie sich in aller Regel unauffällig und gälten als sozial gut integriert.
In Italien sei aber aufgefallen, dass bei gewaltsamen Auseinandersetzungen innerhalb der 'Ndrangheta «die Waffen auffallend oft aus der Schweiz stammen», schreibt das fedpol weiter. (kmm)