So sollen zukünftig Gewalttaten verhindert werden
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«Wollen Opfer vermeiden»:So sollen zukünftig Gewalttaten verhindert werden

Der Kanton Zug setzt mit Marco Meier (48) und Stephan Hofmann (53) auf Prävention
Sie greifen ein, bevor es Opfer gibt

Fast täglich erleben Beamte bedrohliche Situationen. Aus mancher könnte sich eine gefährliche Attacke entwickeln. Um das im Ansatz zu verhindern, hat die Zuger Polizei eine eigene Dienststelle geschaffen.
Publiziert: 04.04.2022 um 09:08 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2022 um 09:11 Uhr
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Die beiden Polizisten Marco Meier (48, l.) und Stephan Hofmann (53) arbeiten für die Fachstelle Gewaltschutz im Dienst für präventive Massnahmen der Zuger Polizei.
Foto: Beat Michel
Beat Michel

Das Büro der beiden Zuger Polizisten Marco Meier (48) und Stephan Hofmann (53) ist bewusst mitten im Polizeigebäude in Zug positioniert. Der Weg zur Fachstelle Gewaltschutz soll für alle Polizistinnen und Polizisten möglichst kurz sein. Ein Regal auf der Höhe einer Bartheke am Eingang lädt ein, die Ausrüstung zu deponieren und kurz auf einen Austausch vorbeizukommen. «Jeder Hinweis auf eine Person mit Gefahrenpotenzial kann in letzter Konsequenz Leben retten», sagt Marco Meier.

Die beiden Beamten arbeiten seit rund zwei Jahren in der neu geschaffenen Fachstelle Gewaltschutz im Dienst für präventive Massnahmen. Über 25 Dienstjahre waren die Polizisten zuvor in der Strafverfolgung tätig. Im neuen Job können sie bereits vor einem Gesetzesbruch aktiv werden. Mit der Precrime-Division aus dem Science-Fiction-Thriller «Minority Report» von Steven Spielberg (75) kann der Zuger Gewaltschutz noch nicht ganz mithalten. Das Ziel aber ist das gleiche wie im Film: die Verhinderung von zielgerichteten Gewalttaten, bevor sie passieren.

Tägliche Bedrohung von Polizisten

Aktiv werden können Hofmann und Meier, wenn eine Person durch bedrohliches Verhalten auffällt, auch wenn noch kein Straftatbestand vorliegt. Das kann querulatorisches oder aggressives Verhalten gegenüber Polizeiangehörigen sein, Drohungen gegenüber Behörden oder Fachstellen wie der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Hofmann sagt: «Polizisten erleben fast täglich bedrohliche oder grenzverletzende Situationen. Wir müssen aus der Flut der Drohungen einschätzen, wie hoch das Gefahrenpotenzial ist, was hinter diesem Verhalten steckt und was dazu geführt hat.» Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist der persönliche Kontakt mit den auffälligen Personen.

«In Gesprächen können wir recht schnell die Gründe für einen Vorfall klären. Der Droher muss sich zum Vorfall äussern. Dann zeigen wir ihm die Grenzen klar auf, sagen ihm, was toleriert wird und was nicht», erklärt Meier. Doch manchmal braucht es auch eine andere Taktik: «Wir bieten ihm aber auch Hilfe an. Oft erfolgt eine Drohung aus einem Missverständnis oder aus einer Kränkungssituation heraus. Der überwiegende Teil der Drohungen sind nach einem klärenden Gespräch vom Tisch und müssen nicht weiterverfolgt werden.»

Stalker gestoppt, Bedrohung beseitigt

Die neue Abteilung feierte bereits Erfolge: Eine Person beschäftigte über einen längeren Zeitraum hinweg verschiedene Verwaltungsbereiche durch bedrohliches Verhalten. Dies war für die betroffenen Mitarbeitenden sehr belastend. Durch eine Intervention der Fachstelle Gewaltschutz konnte die Situation entspannt werden. Und ein hartnäckiger Stalker, der eine Frau über eine längere Zeit hinweg massiv belästigt hatte, konnte durch gezielte, präventive Massnahmen gestoppt werden.

Derzeit befindet sich bei der Zuger Polizei das sogenannte Bedrohungsmanagement in Planung. In einem interdisziplinären Ansatz, also in enger Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Institutionen, soll die Fachstelle künftige Gewalteskalationen möglichst früh erkennen, die Situation einschätzen und entschärfen. Dazu gehört auch das Monitoring von Gewaltstraftätern, die aus dem Vollzug entlassen werden, um das Rückfallrisiko zu minimieren.

Die Grenzen des Monitoring

«Hier müssen wir uns immer die Frage stellen, wo die Grenzen sind, wie weit dürfen wir gehen», sagt Stephan Hofmann. «Ziel ist nicht die Überwachung von Personen, sondern die Verhinderung von Gewalt.» Dazu gehört die regelmässige Ansprache und die Begleitung von auffälligen Personen. «Nur schon, wenn solche Menschen eine Ansprechperson haben und ihr Problem schildern können, können wir viel Spannung abbauen», so Meier.

Doch falls eine strafrechtlich relevante Handlung passiert oder sich ankündigt, ist auch mit der Fachstelle Gewaltschutz nicht zu spassen. «Die Strafverfolgung bleibt zentral. Wer das Gesetz bricht, muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden», sagt Stephan Hofmann. «Auch wenn unsere Hauptaufgabe die Verhinderung von Gewaltstraftaten ist.»


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