Der Haftbefehl zeigt
Schweiz schleuste Maulwurf ein!

Aufträge erteilte der Nachrichtendienst über ein Coop-Handy, den Lohn für den Agenten zahlte er in bar. Der Haftbefehl gegen den Schweizer Spion offenbart die Details zum Spionage-Krimi zwischen der Schweiz und Deutschland.
Publiziert: 03.05.2017 um 23:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:51 Uhr
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Der Spion Daniel M. sollte Details herausfinden, wie die Deutschen an die Steuer-CDs herangekommen waren. Offenbar teilweise mit Erfolg.
Foto: Igor Kravarik
Matthias Halbeis, Joël Widmer, Viktor Dammann und Ruedi Studer

Wenn die Berner Beamten aus dem Nachrichtendienst (NDB) neue Aufträge für ihren Agenten Daniel M.* hatten, klingelte sein «Coop»-Handy. Das Mobiltelefon mit der Prepaid-Karte des Grossverteilers hatte ihm der Nachrichtendienst für die Kommunikation extra zur Verfügung gestellt. Und er nutzte es rege. Denn Daniel M., der letzten Freitag in Frankfurt (D) wegen Verdachts auf Spionage gegen deutsche Steuerfahnder festgenommen wurde, hatte umfangreichere Aufträge, als bisher bekannt war. Dies geht aus dem deutschen Haftbefehl hervor, der BLICK vorliegt.

Der Schweizer Privatspion wurde spätestens im Jahr 2012 vom NDB angeworben und beauftragt, Informationen über die Aktivitäten und die Vorgehensweise der deutschen Steuerbehörden im Zusammenhang mit dem Ankauf von Steuer-CDs zu beschaffen. Zuerst musste er eine vom NDB angelegte, aber lückenhafte Liste mit persönlichen Daten von Steuerfahndern des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) vervollständigen.

«Quelle werde zeitnah erste Informationen liefern»

Dabei war Daniel M. offenbar erfolgreich. Die deutschen Behörden gehen laut dem Haftbefehl davon aus, dass mit Hilfe der Informationen des Spions den Schweizer Behörden eine Identifizierung und strafrechtliche Verfolgung von Steuerfahndern Nordrhein-Westfalens möglich war. Die Bundesanwaltschaft erliess 2012 drei Haftbefehle.

Doch damit war der Informationshunger der Berner Geheimdienstler nicht gestillt. Gemäss dem Ergebnis der deutschen Ermittlungen hat der NDB dem Spion M. in den Jahren 2013 oder 2014 zudem den Auftrag erteilt, im Geschäftsbereich der Finanzverwaltung des Bundeslands Nordrhein-Westfalen eine Quelle einzurichten – einen Maulwurf! M. hat dies laut dem Haftbefehl mit Hilfe des deutschen Geschäftspartners K. M.* auch erfolgreich getan. Anfang 2015 erhielt Daniel M. über den deutschen Mittelsmann die telefonische Benachrichtigung, «dass die in der Finanzverwaltung NRWs platzierte Quelle zeitnah erste Informationen liefern werde», heisst es im Haftbefehl.

Bei einer Behörde eines befreundeten Nachbarlandes einen Geheimdienst-Maulwurf zu pflegen, ist starker Tobak. Doch diese Aktion scheint nicht die Arbeit eines übereifrigen Agenten zu sein, sie gehört im Nachrichtendienst offenbar zum Geschäft. Denn in die Operation um Daniel M. waren nicht nur einfache NDB-Agenten eingespannt. Der Haftbefehl nennt vier Geheimdienst-Mitarbeiter, die mit dem Schweizer Spion Kontakt pflegten. Darunter ist Paul Zinniker. In die heikle Operation war somit auch der stellvertretende NDB-Chef involviert. Sein Chef Markus Seiler und wohl auch der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer müssten laut Quellen davon Kenntnis gehabt haben.

Die Wahl fiel offensichtlich auf einen unvorsichtigen Mann

Zinniker & Co. liessen sich die Maulwurf-Operation etwas kosten. Laut dem Haftbefehl sagten sie für die Platzierung des Maulwurfs ein Aufwandhonorar von 90'000 Euro zu. Es sollte in drei Tranchen ausbezahlt werden. Zwei Zahlungen von je 30'000 Euro hat Daniel M. allem Anschein nach auch erhalten. Davon hätten M. und sein deutscher Mittelsmann je 10'000 Franken als Honorar behalten. Die übrigen 40'000 Euro soll der Mittelsmann «als Motivationszahlungen an weitere bislang unbekannte Personen weitergereicht haben, die an der Operation beteiligt sein sollen», steht im Haftbefehl.

Damit nicht genug. Für seinen Spionage-Job erhielt Daniel M. von seinen Kontaktpersonen im NDB über einen unbestimmten Zeitraum hinweg monatlich pauschal 3000 Franken – in bar.

Ob der Spion mit der Quelle im Finanzamt letztlich erfolgreich war, bleibt unklar. Der mutmassliche deutsche Mittelsmann K. M. zeigt sich auf Anfrage von BLICK konsterniert: «Ich habe Daniel M. keine Informationen aus dem Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen beschafft.» Die angeblichen Zahlungen seien Unfug und völlig aus der Luft gegriffen, sagt er.

Für die heikle Aufgabe im befreundeten Deutschland hat sich der NDB offensichtlich einen unvorsichtigen Mann ausgesucht. Davon zeugen das Verfahren der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Daniel M. und seine Reise nach Deutschland letzte Woche. In seiner Lage musste er eigentlich damit rechnen, dass er irgendwann zur Fahndung ausgeschrieben wird.

Eisernes Schweigen der politischen Behörden

Die politischen Behörden versuchen die Spionage-Affäre mit Deutschland mit eisernem Schweigen zu beruhigen. Sowohl der NDB als auch das Verteidigungsdepartement nahmen auf ausführliche BLICK-Fragen zum Maulwurf-Auftrag keine Stellung. NDB-Chef Markus Seiler hatte am Dienstag bloss gesagt, nachrichtendienstliche Arbeit sei «kein Streichelzoo». Auch die Bundesanwaltschaft (BA) betonte gestern lediglich, dass Daniel M. nie für oder im Auftrag der BA tätig gewesen sei. Laut Quellen im Bundeshaus laufen im Hintergrund nun zwischen Bern und Berlin die Drähte heiss.

Die Vizepräsidentin der parlamentarischen Geheimdienst-Aufsicht (GPdel) bestätigt gegenüber BLICK, dass Spion M. für den Nachrichtendienst tätig war. «Wir haben uns vor etwa fünf Jahren mit Daniel M. beschäftigt, der NDB hat uns den Fall damals vorgelegt», sagt Corina Eichenberger. Die Deutschen hätten ja illegale Wirtschaftsspionage betrieben, indem sie illegale Daten-CDs erwarben. «Der NDB wollte im Rahmen der Spionage-Abwehr herausfinden, wer das Mandat dazu gegeben hat.» Unklar ist, ob die GPDel auch über den Maulwurf-Auftrag im Bild war. Dieser wurde ja erst Ende 2014 ausgeführt. Die Aufsichtsdelegation lässt sich heute an einer Sitzung vom NDB informieren.

*Namen der Redaktion bekannt

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